Teurer Erfolg

■ Grundlagenakte Nato– Rußland unterzeichnet

Geschichte wiederholt sich. Und das Gedächtnis ihrer Akteure ist kurz. Schon zu Beginn dieses Jahrzehnts wurde in Paris das „Ende des Zeitalters von Jalta und Potsdam“ verkündet und feierlich eine „neue Epoche gesamteuropäischer Kooperation und Sicherheit“ eingeläutet. In ihrer „Charta für ein neues Europa“ vereinbarten die 35 Regierungschefs der KSZE 1990, diese (inzwischen in OSZE umbenannte) gesamteuropäische Institution zum „Herzstück der europäischen Architektur“ (Bundeskanzler Kohl) zu machen. Die OSZE sollte das Instrument für die Bearbeitung aller Konflikte auf dem eurasischen Kontinent werden. Das ist vorbei. Die OSZE wird mit der gestrigen Pariser Vereinbarung endgültig auf das Abstellgleis der Geschichte geschoben. Die Regierung in Moskau hat jetzt nicht einmal mehr einen taktischen Grund, die Stärkung der OSZE zu verlangen. Sie wird sich – vorausgesetzt, die Vereinbarung wird von der Duma überhaupt ratifiziert – künftig voll auf die Nutzung ihrer Möglichkeiten in den neugeschaffenen Kooperationsmechanismen mit der Nato konzentrieren.

Weitere Konflikte sind damit nur eine Frage der Zeit. Sie werden möglicherweise schon mit Blick auf die für Sommer 1998 anstehende Nachfolgeregelung für die Nato-geführte Stabilisierungstruppe in Bosnien ausbrechen; spätestens aber dann, wenn die Nato in einer zweiten Erweiterungsrunde auch die baltischen Staaten oder die Ukraine aufnehmen will. Doch auch ohne den latenten Widerspruch aus Moskau stehen der Nato noch gehörige Probleme ins Haus. Für die Aufnahme neuer Mitglieder gibt es – abgesehen von taktischen Rücksichten auf Rußland – nach wie vor keine objektiven Kriterien und daher auch keinen Nato-internen Konsens.

Es ist noch immer unklar, welche Länder in der ersten Runde dabeisein werden, obwohl die Namen bereits beim Madrider Gipfel in knapp sechs Wochen bekanntgegeben werden sollen. Und spätestens nach diesem Gipfel werden die bislang verdrängten Kosten der Nato-Erweiterung auf der Tagesordnung stehen und zu neuem Streit im Bündnis führen. Ob das gestrige Datum auch Anfang des nächsten Jahrtausends noch immer als großer Erfolg in der Geschichte der Nato gewertet werden wird, ist völlig offen. Andreas Zumach