Keine russischen Sprengköpfe mehr gen Nato

■ Unklarheit in Paris: Will Jelzin Raketenköpfe entfernen – oder nur deaktivieren?

Paris (taz) – Die Regierung in Moskau will die Bedrohung der 16 Nato-Staaten durch russische Atomwaffen weiter abbauen. Dies verhieß Präsident Boris Jelzin gestern in Paris während der Zeremonie zur Unterzeichung der „Gründungsakte über die gegenseitigen Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit“ zwischen Rußland und der Nato. Wie weit die Bedrohung abgebaut werden soll, blieb zunächst unklar. Wörtlich erklärte Jelzin gegenüber den Staats- und Regierungschefs der 16 Nato-Staaten: „Alle Sprengköpfe, die gegen die hier vertretenen Staaten gerichtet sind, sollen entfernt werden.“ In deutschen, englischen und französischen Medienberichten wurde dies zunächst übersetzt als „Abbau“ der Sprengköpfe durch ihre Trennung von den Raketen und anderen Trägersystemen. Diese Maßnahme würde die Einsatzfähigkeit der Atomwaffen allerdings deutlich reduzieren. Russische Rüstungsexperten machten jedoch deutlich, daß Moskau lediglich an eine „Deaktivierung“ der Atomwaffen durch Löschung ihrer per Computer eingegebenen Zielkoordinaten denkt. Diese Löschung ist innerhalb weniger Minuten möglich. Ebenso schnell können die gelöschten (oder neue) Zielkoordinaten aber auch wieder einprogrammiert werden. Rußland und die USA hatten diese Deaktivierung Anfang 1994 für einen Großteil ihrer strategischen Arsenale vereinbart.

Daraufhin wurden auf beiden Seiten jeweils 3.500 Atomwaffen deaktiviert. Die drei anderen Atomwaffenstaaten Großbritannien, Frankreich und China schlossen sich später der russisch-amerikanischen Vereinbarung an. Zwischen Rußland und den 13 Nato-Staaten ohne eigene Atomwaffen gibt es bisher keine entsprechende Vereinbarung. Andreas Zumach

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