Rückkehrmanagement auf Sparflamme

■ Die Zahl der heimkehrwilligen Bürgerkriegsflüchtlinge wächst. Doch die professionelle Unterstützung ist vollkommen unzureichend

Sehr viel Geduld brauchen Bürgerkriegsflüchtlinge, die derzeit ihre Heimkehr nach Bosnien-Herzegowina planen. Im Büro der Ausländerbeauftragten, wo Rückkehrwillige immer nachmittags Unterstützung von zwei Muttersprachlern erhalten können, versammeln sich mittlerweile halbe Dörfer, und auch in der Beratungsstelle in der Streitstraße geht es oft nicht unter mehreren Stunden Wartezeit ab. Bis zu 50 Rückkehrvignetten täglich werden seit Anfang Mai nach Aussagen der Ausländerbeauftragten an Bürgerkriegsflüchtlinge des ehemaligen Jugoslawien vergeben. „Das sind mehr als je zuvor, die freiwillig nach Hause fahren“, freut sich Barbara John, die am Sonntag erneut zu einem Besuch nach Bosnien aufbrach. Unter anderem in der Gemeinde Odzak und im größten Kanton der Föderation, Tuzla- Podrinje – zirka 9.000 Flüchtlinge Berlins stammen von dort – wird die Ausländerbeauftragte Gespräche mit Bürgermeistern, Geschäftsleuten und bereits zurückgekehrten Flüchtlingen führen.

Karin Hopfmann, flüchtlingspolitische Sprecherin der PDS im Berliner Abgeordnetenhaus, erkennt das bisherige Engagement des Büros der Ausländerbeauftragten an: „Viele Flüchtlinge haben jedoch Scheu, sich nach den Drohgebärden und Abschiebungen des Senats an offizielle Stellen zu wenden.“ Wenn es derzeit mehr denn je auf sich nehmen, in ihre Heimatorte zurückzukehren, dann, weil sie seit Monaten mit großer Sensibilität vorbereitet wurden. Das Gros der Rückkehrwilligen hat, ehe es sich im Büro der Ausländerbeauftragten meldet, bereits zahlreiche Gespräche im „südost Europa Kultur e.V.“ hinter sich oder wurde von der „Romani Union Berlin e.V.“ umfassend betreut.

„Wir kennen die Ängste der Leute“, erklärt Bosijlka Schedlich vom südost-Europa-Zentrum. Bereits im Frühjahr 96, noch bevor von offizieller Seite überhaupt ein Finger gerührt wurde, hat der Kulturverein Flüchtlinge eingeladen, versucht, Gruppen von Menschen aus einem Ort zusammenzubringen und über ihre Probleme zu sprechen.

Einen Extra-Etat für seine Rückkehrberatung hat das südost- Europa-Zentrum nicht. Es erhält lediglich Fördermittel für seine soziokulturelle Arbeit, die es in Berlin leistet. Für die Rückkehr der Roma finanziert der Senat die Beratungsstelle der Romani Union zwar mit drei LKZ-Stellen bis Ende 97. Sachmittel, von Telefongebühren bis zum Schreibpapier, gibt es jedoch keine. Der Solidarität des südost-Europa-Hauses, das faktisch einen Schreibtisch zur Verfügung stellte, ist es zu verdanken, wenn überhaupt Hilfe für die Volksgruppe der Roma geleistet werden kann.

Daß sie, wie noch vor einigen Wochen geschehen, Frachtbriefe für Heimkehrende aus dem eigenen Portemonnaie bezahlte, sei inzwischen kein Thema mehr, doch daß die Rückkehr der fast 30.000 Flüchtlinge in Berlin einer verstärkten Unterstützung und Zusammenarbeit bedarf, hat auch Barbara John erkannt. Über Gründe, weshalb der Senat bis auf den heutigen Tag einer professionellen Rückkehrberatung nicht ausreichend Aufmerksamkeit schenkt und statt dessen weiter mit Abschiebung droht, hält sich die Ausländerbeauftragte jedoch bedeckt. „Ich bemühe mich seit einem Jahr, Schnelligkeit in den Prozeß hineinzubringen, überflüssige Wege zu verkürzen. Es ist leicht, nach Berlin reinzukommen. Aber es ist ein Hürdenlauf, wieder rauszukommen.“ Jede Behörde arbeite hier an ihrem Teilstück. Inzwischen sei das Rückkehrmanagement so weit gediehen, um auf der Basis der Geburtsorte der Leute Unterstützung zu konkretisieren. „Wir bauen ja von Berlin aus nicht Bosnien auf, sondern mehr oder weniger Häuser von Flüchtlingen aus Berlin. Dafür bekommen wir jetzt die Daten von allen Stellen.“

Recht unbürokratisch gelingt die Rückkehr der Bürgerkriegsflüchtlinge dagegen in Brandenburg. Ein Verein, der schon seit Jahren unter anderem Hilfstransporte auf den Weg brachte, wurde gewonnen, auch die Flüchtlinge bei ihrer Heimreise zu unterstützen. Er erhält dafür auf Beschluß des Landtags Räume und Gelder in ausreichendem Maß. Almuth Berger, Ausländerbeauftragte in Potsdam, will das Vorgehen Brandenburgs zwar nicht überbewerten: „Wir haben es lediglich mit 1.700 Flüchtlingen zu tun.“ Dennoch habe über eine professionelle Rückkehrberatung immer Einverständnis geherrscht. Über eine zusätzliche Rückkehrhilfe, die sich Almuth Berger in Höhe von 300 Mark wünscht, hat das brandenburgische Parlament dagegen bis heute nicht entschieden.

Berlin ist bereit, rund 200 Mark für Erwachsene und 75 Mark je Kind auszugeben. Doch selbst die Bewilligung der Rückkehrhilfen läuft schleppend. „Dabei ist klar, es erhält sie jeder. Aber es muß eben geprüft werden“, so Barbara John, „nur, weil da Leute sitzen, die gern prüfen.“ Allerdings muß, wer die Unterstützung beantragen will, seinen Paß vorlegen. Den meisten der Flüchtlinge wurden die Pässe durch die Ausländerbehörde jedoch bereits abgenommen. Auch brauchen die Flüchtlinge derzeit noch Tage, um ihre Papiere von einer Stelle in der Stadt zur nächsten zu bringen. Für Barbara John ein unakzeptabler Zustand: „Meine Vorstellung ist, und dazu gibt es auch die Bereitschaft, alles bei der Ausländerbehörde am Friedrich- Krause-Ufer zu kozentrieren.“

Inzwischen wurde eine Logistik aufgebaut, die jeweils drei bis fünf Familien die Mitnahme von gespendeten Möbeln und Materialien für den Aufbau ihrer Häuser ermöglicht. Das hat den Vorteil, daß nicht jede Familie einzeln bei ihrem Sozialamt um die Transportkosten kämpfen muß, wo es nicht selten hieß: Was denn, ihr habt die ganze Zeit im Heim gelebt, wo habt ihr denn jetzt die Schlafzimmermöbel her? Die Transportunternehmen, die, so Bosijlka Schedlich, aus Slowenien und Kroatien stammen, fahren in diesen Tagen zum siebtenmal nach Odzak.

„Odzak ist einer der wenigen Orte, in den die Rückkehr inzwischen fast problemlos möglich ist“, schätzt die Geschäftsführerin des südost-Zentrums. „In Odzak gab es allerdings auch keine serbischen KZs und auch keine Verbrechen an Serben.“ Kathi Seefeld