Kapitalismus blutet aus

Wie Dagmar Enkelmann von der PDS Beauftragte der Deutschen Bahn AG für Ostdeutschland werden sollte  ■ Von Jens König

Dieses Stück hat alles, was Politik heute so braucht, um die Zuschauer zu elektrisieren: ein Gerücht (Neugier), einen gutbezahlten Posten (Macht) und eine schöne Hauptdarstellerin (Gut) von einer häßlichen Partei (Böse). Da ist dann auch der Boulevardjournalismus nicht mehr weit. Um es mit seinen Worten auszudrücken: „Bonner Politiker empört: Schöne rote Dagmar soll Ost-Managerin werden – für 18.000 Mark im Monat“. So was liest man doch!

Doch der Reihenfolge nach. Klaus Daubertshäuser, Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG, hat einen Job zu vergeben. In seinem Unternehmen soll für den Bereich Nahverkehr der Posten eines Ostbeauftragten eingerichtet werden, gut bezahlt (von 15.000 bis 18.000 Mark monatlich ist die Rede), direkt dem Vorstand der Bahn AG beigeordnet. In irgendeinem Gespräch läßt Daubertshäuser, Sozialdemokrat und bis 1994 verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, den Namen Dagmar Enkelmann fallen. Und da beginnt das Problem: Enkelmann ist in der PDS. Zunächst gibt die Bahn eine profane Begründung für ihren Vorschlag, von dem offiziell noch keiner weiß: Weil sich niemand im Osten so gut auskenne wie die PDS, sei man auf deren Vertreterin gekommen. Die 40jährige sitzt im Verkehrsausschuß des Bundestages und gilt unter Kollegen als kompetent. Darf man so etwas sagen? PDS und Kompetenz? Das hätte die Bahn nicht tun sollen. Jetzt beginnt das Stück erst richtig.

Einige Bundestagsabgeordnete bekommen den Personsalvorschlag der Bahn gesteckt. Sie sind empört. „Ist das die neue Form der PDS, den Kapitalismus ausbluten zu lassen?“ fragt Günter Weißgerber von der SPD. Otto Regenspurger von der CSU kriegt kaum noch Luft: „Niemand würde akzeptieren, daß ein Häftling Gefängnisdirektor wird, weil er sich im Knast bestens auskennt.“ Wolfgang Thierse bleibt wie so oft beim Differenzieren hängen. Er wolle kein Berufsverbot für die PDS, aber die Begründung, daß sie die einzige Partei sei, die sich im Osten auskenne, mache ihn „zornig“. Böse Zungen behaupten, Daubertshäuser hätte mit Enkelmann oft gefrühstückt. Von ihr, die mal zur schönsten Frau des Bundestages gewählt wurde, sei bekannt, daß sogar CSU-Abgeordnete kein Problem hätten, sich mit ihr – PDS hin, PDS her – sehen zu lassen...

Jetzt muß sich die Bahn offiziell erklären. Stimmt das mit Enkelmann? Plötzlich läßt die Erinnerung nach. Irgendwo sei ihr Name mal erwähnt worden, wo war das gleich? Bei PDS-Chef Bisky? Oder beim brandenburgischen Verkehrsminister Meyer? Ja, genau, mit dem hätte es ein Gespräch gegeben. Der Name Enkelmann sei nicht gefallen. Antwort der brandenburgischen Regierung: Auf Vorschlag von Daubertshäuser habe man auch über Frau Enkelmann geredet. Am Montag dann steht alles in der Leipziger Volkszeitung. Einen Tag später eine offizielle Erklärung der Bahn: Es gebe lediglich Überlegungen, entsprechende Stellen bei der Bahn einzurichten, darunter eine für den Osten. Qualifizierte Empfehlungen würden gerne entgegengenommen. Das war's dann. Ach so, Dagmar Enkelmann. Die war nie zu erreichen, heißt es bei allen Beteiligten. Vorhang zu?

„Schöne Geschichte“, sagte Enkelmann gestern zur taz, „habe ich gerade aus der Zeitung erfahren.“ Ein Angebot von der Bahn? „Gibt es nicht.“ Vor einem Jahr habe Daubertshäuser sie beiläufig gefragt, was sie mache, wenn sie 1998 aus dem Bundestag ausscheide. Weiß ich nicht, hat sie gesagt. Hätten Sie Lust, vielleicht bei der Deutschen Bahn AG zu arbeiten, hat er gefragt. Vorstellen kann ich mir vieles, hat sie gesagt, das auch. Das kommt davon, wenn Häftlinge Gefängnisdirektor werden wollen.