Die Angst, nicht mehr rauszukommen

Flüchtlingsabteilung der Ausländerbehörde: Gitter und keine Notausgänge  ■ Von Silke Mertins

Die ersten Gitterstäbe stellen sich gleich im Eingangsfoyer in den Weg. Mehran R. tritt unruhig von einem Bein aufs andere. Riesige Drehtüren aus kalt glänzendem Stahl und eine Reihe von uniformierten Sicherheitskräften versperren den freien Zugang zur Flüchtlingsabteilung der Hamburger Ausländerbehörde in der Amsinckstraße 28.

Mehran hat die Wartenummer 17 gezogen. Schnell geht er noch einmal rüber ins „Café Exil“, menschlichen Zuspruch tanken. Der junge iranische Flüchtling muß in die schlimmste Abteilung: „E14“, zuständig für „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“. Zu deutsch: für Abschiebung.

Nur über einen Aufzug kann er den ersten Stock erreichen. Die Tür zum Treppenhaus – der Notausgang – ist abgeschlossen. „Das darf eigentlich nicht sein“, sagt der Sprecher der Ausländerbehörde, Norbert Smekal, auf Anfrage. „Wir sind selbst entsetzt.“Das sei gegen die Anweisung, denn „die Fluchtwege müssen frei zugänglich sein“.

Im Wartesaal der „E14“können inzwischen wenigstens die Fenster wieder geöffnet werden. Vor wenigen Wochen noch gab es keine frische Luft gegen Angst und Atemnot. Eine weitere Stahldrehtür und ein dichtes Gitter trennen die wartenden Flüchtlinge von den SachbearbeiterInnen.

Ein Wachmann thront mit verschränkten Armen auf einem Stuhl. Gleich neben ihm ist die Polizei untergebracht. „Abdul Mehmet Salami – äh – Salama“, ruft der Wachmann jetzt und quetscht die Duldungs-Papiere durch die Gitterstäbe. Aus sechzehn Mann besteht der private Sicherheitsdienst in der Ausländerbehörde. Fast eine Million Mark kostet sie im Jahr.

„Wenn man durch diese Tür geht“, sagt Mehran und zeigt auf die Drehtür, „weiß man nicht, ob man wieder rauskommt.“Denn hinter den Gittern wird entschieden, wer gleich in den Abschiebeknast Glasmoor gebracht wird. Dort hat Mehran Anfang des Jahres zwei Monate gesessen, bevor Presseberichte über seinen Hungerstreik den Petitionsausschuß der Bürgerschaft zur Besinnung brachten. „Ich werde nur als Leiche in den Iran zurückkehren“, so hatte Mehran gegen die drohende Abschiebung protestiert.

Heute muß er seine Duldung verlängern lassen. Sein Eilantrag für einen Asylfolgeantrag wurde inzwischen vom Gericht angenommen und bewahrt ihn noch vor Abschiebung. Hoffentlich, bangt Mehran, muß er nicht durch die Drehtür.

Herzklopfen hatten wartende Flüchtlinge auch schon, bevor die Ausländerbehörde den Flüchtlingsbereich zum Hochsicherheitstrakt aufrüstete. Früher wurde hinter Abschiebungskandidaten die Tür abgeschlossen. Schweißausbrüche, wenn der Sachbearbeiter zum Telefonhörer griff. Ob jetzt die Polizisten zum Abführen gerufen werden? Kann man aus dem Fenster entkommen?

Die wartenden Menschen beobachten genau, ob diejenigen, die reingehen, wieder herauskommen. Manchmal kommt man aber selbst schon vorher dran. Die Nummern werden völlig durcheinander aufgerufen. Im Augenblick allerdings scheint sich überhaupt nichts zu bewegen. Zwei Dreijährige klettern auf den Gittern herum. Es ist so langweilig. „Könnt ihr die Kinder hier nicht fernhalten?!“schnauzt der beleibte Wachmann. Eltern sammeln ihre empört kreischenden Zwerge ein.

Mehran schreckt hoch. Sein Name wird gerufen, seine Duldung durch die Stäbe gereicht. Gespannt starrt er auf den Stempel. Drei Monate. Mehran strahlt. „Ich will nicht zum Sozialamt“, sagt er. Mit dieser vierteljährigen Gnadenfrist bekommt er vielleicht seinen Aushilfsjob als Kurierfahrer zurück. Draußen seufzt er erleichtert. Zwölf lange Wochen ohne Drehtür, Wartenummern und eine vergitterte Bearbeitung.