Wahre Geschichten, holzvertäfelt: Mary Coughlan im Quasimodo

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Wahre Geschichten, holzvertäfelt: Mary Coughlan im Quasimodo

Letztes Jahr gab sie Julia Roberts Gesangsstunden für ihre Rolle in dem Film „Michael Collins“, nun tritt sie selbst mit einem neuen Anlauf an die Öffentlichkeit. „After the Fall“ ist Mary Coughlans erstes Studioalbum seit drei Jahren, als sie sich mit ihrem „Best of“- Sampler „Love me or leave me“ vorerst aus dem Rampenlicht verabschiedete. Eine Weile sah es so aus, als ob mit dieser Compilation ihre künstlerische Vita abgeschlossen sei, Mary Coughlans Abgleiten in den Sumpf aus Depressionen und Alkohol schien endgültig. Doch sie hat sich wieder aufgerappelt.

Inzwischen runde Vierzig, blickt sie auf ein gutes Dutzend Jahre im Musikgeschäft zurück, in das sie Mitte der Achtziger eher zufällig geriet. Fast schon die klassische Aschenputtelgeschichte, wie sie, mit 28 und nach zerbrochener Ehe mit drei Kindern wieder in ihrer Geburtsstadt Galway an der irischen Westküste gestrandet, durch einen Talentwettbewerb und darauffolgenden Fernsehauftritt 1985 praktisch über Nacht berühmt wurde.

Doch auch ihr plötzlicher Ruhm ließ sie nicht umgehend auf die Sonnenseite des Lebens wechseln. Schon ihr Debütalbum trug den Titel „Tired and Emotional“, und das entsprach wohl der Wahrheit. Trotzdem ging die „Mutter Courage des irischen Songs“ (Rolling Stone) stets kämpferisch mit ihrer Umwelt ins Gericht. In dem Song „My Land Is Too Green“ sang sie die Zeilen: „Mein Land ist versumpft in religiöser Tradition. Unsere Köpfe nicken in ergebener Unterwürfigkeit. Mein Land ist naiv, hat zuviel Angst vor dem Teufel. Päpstlicher als der Papst und die Augen gen Himmel gerichtet.“ Immer noch handeln ihre Stücke oft von schweren Dingen wie Suff, Arbeitslosigkeit oder Abtreibung, verbinden dabei aber meist das Tragische mit dem Sarkastischen, das Melancholische mit einem trotzigen Optimismus. Mary Coughlan erzählt kleine, böse Geschichten aus dem Leben, über entwürdigende Affären oder Eifersuchtsdramen, und ein wenig wird da auch dem Voyeurismus die Tür geöffnet, wenn die Rekonvaleszentin in „That Face“ über die Macht des Alkohols philosophiert, „darüber, wie es dich herunterziehen kann“. Ist das Folk, Chancon oder Blues? Im Grunde ist es Barmusik. Piano, Hammondorgel, Akkordeon und Akustikgitarre zimmern dazu das rauchige, holzvertäfelte Pub-Ambiente, mal mit orientalischen Schlenkern, mal mit Kirmesklängen abgerundet. „Updated-Berlin-Cabaret-Style“, urteilte die britische Music Week. Und somit heute abend am richtigen Ort. Daniel Bax

Heute ab 22 Uhr im Quasimodo, Kantstr. 12a, Charlottenburg