Hitzfeld ist zum Siegen verdammt

■ Der Borussen-Coach beharrt auf dem Recht auf Mißerfolg

München (taz) – Nein, es war kein glücklicher Trainer, der da nach dem Finale der Champions League vor den versammelten Journalisten saß. Nun ist Ottmar Hitzfeld ohnehin kein Mensch, der zu überschäumendem Jubel neigt, aber verglichen mit seinen zuvor befragten Spielern Reuter, Riedle und Ricken, denen die Freude aus jeder Pore sprang, wirkte der Coach der Dortmunder Borussen seltsam angefressen.

Erheblich mehr jedenfalls als sein Kollege Marcello Lippi, der das Desaster des großen Favoriten Juventus Turin mit gefaßter Gelassenheit kommentierte. Hitzfeld hingegen sprach von Enttäuschung, verlorenem Vertrauen, tiefer Betroffenheit, Dingen, die ihn nachdenklich gemacht hätten und über die man schlafen müsse. Kein einziger jener Sätze, die Trainer sonst in ähnlichen Situationen sagen: daß man in dieser Stunde des Triumphes nicht über negative Dinge reden, sondern einfach feiern wolle, daß die Konflikte übertrieben dargestellt würden etc. Statt dessen eine kühle Abrechnung mit jenen, die an ihm zweifeln oder zumindest gezweifelt haben. Wer geglaubt hatte, daß ein Europacupsieg der Dortmunder und die damit verbundene erneute Teilnahme an der lukrativen Champions League alle Probleme, die nach den letzen Bundesligawochen mit dem Verlust des Meistertitels aufgetaucht waren, blitzartig hinwegfegen würde, sah sich jedenfalls getäuscht.

Die rasante Entwicklung des BVB vom biederen, bodenständigen Ruhrpottklub zum europäischen Spitzenverein mit vollen Kassen und sündhaft teurer Mannschaft brachte vor allem zwei Dinge mit sich: einen Imagewandel, verbunden mit Sympathieverlust bei vielen, die noch vor zwei Jahren begeistert darüber waren, daß der vermeintliche Underdog den großen Bayern ein Bein stellen konnte. Und eine übersteigerte Erwartungshaltung in Dortmund, die den deutschen Meistertitel quasi als Selbstverständlichkeit betrachtete. „Wir haben uns nicht gefreut auf das Finale, sondern nur von der Bundesliga geredet“, bemängelte Hitzfeld, der zuvor gar „Weltuntergangsstimmung“ registriert hatte. Schon während der Saison hatten Präsident Niebaum und Manager Meier, angefangen von der kleingeistigen Kritik an Fernsehkommentator Marcel Reif, immer dünnhäutiger auf, sagen wir, „unpositive“ Stimmen reagiert. Und daß die Spekulationen um einen Trainerwechsel eine reine Medienerfindung waren, mag auch Hitzfeld nicht glauben. „Es würde mich interessieren, wie solche Gerüchte entstehen“, sagte der sichtlich gekränkte Coach in München.

Für ihn, der jede Menge Jahre als Spieler und Trainer auf dem Buckel hat, sind Mißerfolge integraler Bestandteil des Fußballgeschäfts. Für die neue Borussia aber unvorhergesehene und entschieden abzulehnende Katastrophen. „Wir können uns noch nicht mit Juve, Real Madrid oder Barcelona vergleichen“, wehrt sich Hitzfeld gegen solche Ansprüche, „das muß wachsen. Und dazu gehören Rückschläge.“ Erkannt hat er allerdings auch, daß er mit dieser Erkenntnis beim BVB relativ allein steht. „Wir sind verdammt zum Siegen“, meinte er, bevor er sich doch noch zu der Bemerkung aufraffte, daß es „ein schöner Abend“ gewesen sei. Und am Ende entfleuchte ihm sogar ein Lächeln. Matti