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Sonne + Tempo = Rebellion

■ Bei Flying High suchten sechs Bands nach neuem Lebensgefühl

Unter dem Titel „Flying High Across The Sky“touren sechs Bands durch Deutschland, um die Verbindung von schnittigen Stromgitarren mit dem Sport auf Rädern zu propagieren. Am Samstag gastierte das Festival im Bremer Schlachthof. Harte Gitarren und Skateboards waren schon vor zehn Jahren ein Thema. Damals repräsentierten Hardcore-Bands wie Suicidal Tendencies und RKL ein neues Lebensgefühl. Sonne, Geschwindigkeit und Rebellion (schließlich war Skaten zumindest auf der Straße verboten). In den letzten Jahren erlebte die Liaison einen zweiten Frühling. Bands wie Millencolin oder Thumb skateten selbst, und auf den Skate-Contests ging der HipHop-Anteil wieder zugunsten der Gitarre zurück.

Wie jedes subkulturelle Phänomen, das zur Mode wird, hat auch der neue Skate-Boom seine Kritiker im Lager der „Alten Schule“. Wer schon damals dabei war, schimpft die Neulinge Trendreiter und vermißt das alte Feeling. So blieb das extrem jugendliche Publikum am Samstag auch unter sich, um Bands zwischen Punkrock und Hardcore zu sehen.

Das ausverkaufte Konzert begann mit der Band Turtlehead, die ein jedes Klischee bediente. Die bis zu den Knien durchhängenden Hosenböden, die Ketten von Vorder- zur Gesäßtasche, die Kappen und der durchschnittliche Sound verhalfen der Band zu einem unfreiwillig komischen Gesamtbild.

Nach einem reichlich rockigen Auftritt von 3 Colours Red setzten die Voodoo Glow Skulls einen ersten Höhepunkt und sorgten nachhaltig für Partystimmung. Mit einer Verquickung von Hardcore und Ska, verstärkt durch eine Bläsersektion, überzeugten sie mit Tempo und Spielwitz. Von da an war der Abend eigentlich gelaufen. Die Hardcore-Oldies S.N.F.U. wirkten zwar ein wenig deplaziert, fanden aber trotzdem Anklang. Als Thumb auftraten, war jedoch endgültig kein Halten mehr. Sänger und Skateboardfahrer Claus Grabke lud die Stagediver auf die Bühne ein, so daß zeitweise die Band kaum auszumachen war, weil sich ein halbes Dutzend Fans auf der Bühne vergnügten. Da war es auch nicht so schlimm, daß der Thumb-Crossover kaum mehr als Genre-Standards bott. Zum Schluß spielten Millencolin aus Schweden. Stark von den kalifornischen NoFX beeinflußt (böse Zungen sprechen gar von Clones) spielen sie mit metallischer Präzision und wohldosierten Ska-Parts eine extrem eingängige Musik. Die „Neue Schule“hatte also ihren Spaß, auch wenn es nicht ohne Blessuren abging, während die „Old School“griesgrämig zu Hause blieb. Aber so funktioniert das nunmal mit dem Lebensgefühl: Ohne Abgrenzung geht da nichts.

Andreas Schnell

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