Thronsturz in Pianoforte

■ Publikumsanmache und Denkerposing: Die „Gipfelstürmer“auf Kampnagel

Wie jemand auf die Bühne kommt, daß ist irgendwie schon bezeichnend. Genießerisch und quälerisch langsam zum Beispiel wie Thomas Philipzen – man merkt sofort, daß da jemand rangeht an sein Publikum, Late-Night-Show-geschult und absolut tauglich für jegliche Telegenitätstests.

„Guten Abend. Wie heißen Sie?“, „Meine Damen und Herren, das ist Martina.“Und schon ist man für den Rest des Abends vorgewarnt. Denn der Clown und Musiker aus Münster war nur der erste von fünf Nachwuchskabarettisten, die am Sonntag im Rahmen des Festivals auf Kampnagel ihren Gipfelstürmer-Auftritt und damit die Möglichkeit zum Thronsturz hatten. Was, so Ulrich Waller einleitend, kommt endlich nach den Nach-Alt-68gern?

Und „war das jetzt Comedy oder Kabarett“? Mit wüstestem Denkerposing persifliert Alexander Geringas, der mutwilligste Klischeezerstörer des Abends, hier nicht nur die Frage nach dem Sinn des Kabaretts, sondern verweist - so zwischen HipHop und Pianoforte – auch gleich noch auf den passenden Gegenbegriff. Comedy inklusive Publikumsanmache inklusive Musik – das mediale Verständnis der diesjährigen Nachfolgegeneration liegt abseits jeder Selbstbeschränkung. Was übrigens auch heißt, daß neben der TV-geleiteten Formentravestie auch der subversive Austausch mit traditionelleren Paraden seinen Platz hat.

Mit Cordula Tomberger sind es dabei vor allem Django Asül in einer bitterbösen türkisch/bayerischen Doppelrolle, sowie Rolf Miller mit seinem schwäbischen Camcorder, die allesamt einen politischen Effekt des Kabaretts für sich zu übersetzen wissen. Wie es nämlich klingt, wenn die autoritären Gesten aus Politik und Alltag und Fernsehen in all ihrer Selbstverständlichkeit auf die Bühne und ins Leben des Kabarettisten platzen.

Elisabeth Wagner