Sozialpfusch am Bau

Schwere Vorwürfe des Hamburger Baugewerbes: Die Staat vergibt Aufträge an Lohndumping-Firmen, gar noch ausländische  ■ Von Karin Flothmann

Die Wohnungsbauprogramme laufen aus, der Straßenbau liegt brach – Werner-Wolfgang Spitze, Chef des Norddeutschen Baugewerbeverbands und Obermeister der Hamburger Bauinnung, stimmt ein Klagelied an, wenn es um die Situation der Bauwirtschaft in der Hansestadt geht. Im vergangenen Jahr, so Spitze gestern, seien die Aufträge im Vergleich zu 1995 um 33,5 Prozent zurückgegangen.

Besonders drastisch wirkten sich die leeren Kassen der Stadt auf das Baugewerbe aus. 1996 reduzierten sich die Aufträge der öffentlichen Hand im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte. Im ersten Quartal dieses Jahres, so Spitze, „verzeichnen wir einen Einbruch bei den Neuaufträgen im öffentlichen Hochbau um 81 Prozent“. Die Krise der Bauwirtschaft wirkt sich denn auch auf den Hamburger Arbeitsmarkt aus. Waren 1995 noch 19.500 Bauarbeiter auf Hamburgs Baustellen beschäftigt, sind es im März 1997 nur noch 17.200.

Schuld an der Misere sind, so Spitze, die nicht kostendeckenden Baupreise, mit denen private und öffentliche Auftraggeber kalkulierten. Auch die Stadt mache dieses Lohndumping mit, indem sie Aufträge stets „an den billigsten Anbieter“vergebe, selbst wenn der auf „ausländische Subunternehmer aus Billiglohnländern“zurückgreife.

Immer mehr Aufträge wanderten so an auswärtige Unternehmer aus den neuen Bundesländern und aus dem Ausland. Rund die Hälfte aller Bauaufträge, so schätzt Spitze, sei inzwischen in der Hand auswärtiger Unternehmen. Viel zu hohe Lohnnebenkosten und Tarifverträge machten es der Hamburger Bauwirtschaft schier unmöglich, konkurrenzfähig zu bleiben.

Den Abwärtstrend bei den Bauaufträgen bestätigen sowohl die Bezirksämter als auch die Wissenschafts- und Schulbehörde. In der Neustadt und in Finkenwerder sind geplante Schulbauten vorerst gestoppt. Und Jochen Hinz, Baudezernent in Bergedorf, sagt, die Erschließung des Neubaugebietes Allermöhe sorge derzeit zwar noch für Aufträge, ein Ende sei jedoch absehbar.

Den Vorwurf, ausländische Dumpingangebote zu favorisieren, möchten die Behörden allerdings nicht auf sich sitzen lassen. Sie verweisen auf die im Februar dieses Jahres in Kraft getretene neue Vergaberegelung des Hamburger Senats.

Danach muß sich jeder Bauunternehmer, der einen öffentlichen Bauauftrag ergattert, verpflichten, seine Arbeiter nach Tarif zu bezahlen – der Mindestlohn auf westdeutschen Baustellen für ausländische Arbeitnehmer liegt bei 17 Mark pro Stunde, ein Geselle verdient laut Tarif 25 Mark. Außerdem sollen Bauaufträge möglichst an Unternehmen vergeben werden, die nicht auf Subunternehmer zurückgreifen. Verstößt ein Unternehmer gegen diese Richtlinien, so drohen ihm inzwischen saftige Geldstrafen.

Kontrollen wegen Schwarzarbeit und Sozialdumping führt bisher in erster Line das Landesarbeitsamt durch. Eine weitere Kontrollstelle wird in der Baubehörde eingerichtet. Baudezernent Hinz verweist darauf, daß in Allermöhe soeben eine Hamburger Baufirma kontrolliert werde, die unangemeldet Osteuropäer auf ihrer Baustelle beschäftige. Natürlich würden ansonsten auch Ausländer auf der Großbaustelle in Allermöhe arbeiten, „Ausländer-Sein ist schließlich nicht unrechtmäßig“.