Bremens „kleine Leute“im Exil

■ Rekonstruierte Familienschicksale im Staatsarchiv einsehbar

Was ist eigentlich aus den „kleinen Leuten“geworden, die von Nationalsozialisten aus Bremen ins Exil getrieben wurden? Diese Frage stellten StudentInnen in einer Arbeitsgruppe am Institut für Sozial- und Regionalgeschichte. Jetzt legten sie ihre Dokumentation vor.

Die fünf jungen Leute um Inge Marßolek und Wiebke Davids standen bei der Suche nach Antworten zunächst vor einem Problem. Entweder Archive blieben ihnen aus ungeklärten Gründen verschlossen (Hapag-Lloyd) oder Klassenbücher und Urkunden waren zerstört. Während das Leben von exilierten „Prominenten“erforscht wird und dokumentiert ist, waren Spuren von den „einfachen Leuten“ausgelöscht. „Der Wert dieser Arbeit besteht unter anderem darin,“so Günther Rodenburg vom Staatsarchiv, „daß sie konkret wird, Leben erfahrbar macht. Außerdem arbeitet sie für Schulen einen komplizierten Quellenfundus auf.“

Hilfe leistete Kerstin Meyer, beim Senat für Arbeit und Soziales zuständig für Wiedergutmachungsprogramme. Sie hat noch zu einigen emigrierten Familien Kontakt. An diese wurden Fragebogen geschickt. „Exil“, so Projektleiterin Marßolek, „das ist ein tiefer Riß in der Biographie. Das Erinnern läßt den Schmerz wiederaufleben. Schließlich kennt jeder von den exilierten überlebenden jüdischen BremerInnen Freunde oder Verwandte, die ermordet wurden. Trotzdem überraschte uns die Wärme der Antworten.“

Mit den Auskünften der Fragebögen rekonstruierten die StudentInnen insgesamt zwölf Lebensläufe. Sie suchten ehemalige Wohnungen Vertriebener auf, machten ihre alten Läden ausfindig und sprachen in Einzelfällen mit Nachbarn. „Sie haben diesen Menschen ihr Leben wiedergegeben, ein Akt der seelischen und geistigen Lebensrettung“, bedankte sich Elvira Noah von der Jüdischen Gemeinde. Diese betreut jetzt selbst jüdische EmigrantInnen aus Rußland. schuh