■ Vorschlag
: Jenseits der Geschlechter? Eine Lesereihe über "Queerness"

„Ich war ein Fisch, der sein Leben lang im falschen Gewässer gelebt hat.“ So äußert sich einer, der lange Zeit Jutta genannt wurde und heute einen Männernamen trägt. Jutta, 1937 in Niederösterreich geboren, studierte Geschichte und Germanistik, promovierte, veröffentlichte Erzählungen, Gedichte und Romane, erhielt dafür Auszeichnungen wie den Georg-Trakl- Preis, trug lieber Anzüge als Kleider und entschloß sich vor einigen Jahren zu einer Hormonbehandlung. Heute heißt er Julian Schutting, und den Schritt vom Frau- zum Mannsein weiß er mit Ironie zu kommentieren: „Der Gemüsehändler in meinem Bezirk hat gesagt: ,Also, Sensation machen S' damit keine. Da hätten S' das vor zwanzig Jahren machen müssen.‘“

Neben so unterschiedlichen Autoren wie Kate Bornstein, Guido Bachmann, Suniti Namjoshi, Sabine Hark oder Calixthe Beyala ist Schutting zur Lesereihe „Queer-writing und Queer-theory“ eingeladen. Den Auftakt macht heute eine Veranstaltung über schwules Schreiben, gefolgt von einem Abend mit lesbischen Autorinnen. Übermorgen geht es um „Geschlecht und Verwandlung“, und am Montag schließlich steht eine theoretische Auseinandersetzung über Queerness an. Mit Judith Butler, zur Zeit Gast des Einstein- Forums, konnte Projektleiterin Ulrike Stamm eine führende Theoretikerin der Gender-Debatte gewinnen, deren Bücher „Das Unbehagen der Geschlechter“ (dt. 1991) und „Körper von Gewicht“ (dt. 1995) nicht nur in feministischen Kreisen Verwirrung stiften. Ihre These, daß das biologische ebenso wie das soziale Geschlecht auf Konstruktionen beruhe, bringt die Vorstellungen festgelegter Identitäten durcheinander. Weder das Mann- noch das Frausein gilt als naturgegebene Größe. Drags, Butches und Femmes imitieren spielerisch das heterosexuelle Regelwerk, so daß sich dieses als Konstrukt offenbart. Ob damit jene falschen Gewässer versickern, von denen Schutting spricht, wird eine der Fragen sein, die bei „Queer- writing und Queer-theory“ anklingen. Eine andere ist zweifellos, wie sich die produktive Unruhe der einzelnen Biographien in den literarischen Arbeiten niederschlägt. Cristina Nord

3.6.–5.6., jeweils um 20 Uhr, am 9.6. um 17 Uhr, Literaturwerkstatt Berlin, Majakowskiring 46–48, Pankow. Heute: „Terrassen und Verzauberung“ mit Guido Bachmann und Murathan Mungan