Grauer Panther – bewaffnet und gefährlich! Von Karl Wegmann

Das waren noch Zeiten! Wundervolle Zeiten, in denen der jahrelange Kampf zwischen Despotie und Freiheitsgeist in Form eines Quadrigarennens im Circus ausgetragen wurde. Auf der einen Seite der römische Tribun Messala, auf der anderen der unterjochte israelische Prinz Ben Hur. Galoppierende Rösser, stürzende Leiber zwischen stampfenden Hufen und berstenden Rädern. Sieger wird selbstverständlich der Mann mit den weißen Pferden, der Gute. Das war Charlton Heston. Der kantige Mime war auch die klare, tiefe, volltönende Stimme Gottes – in Cecil B. DeMills Monumentalschinken „Die Zehn Gebote“. Im gleichen Film spielte er den Moses und teilte, nur mit einem Holzstab bewaffnet, mal eben das Rote Meer. In den 50er und 60er Jahren war Heston, dessen Markenzeichen es war, mindestens in einer Szene mit nacktem Oberkörper aufzutreten, der Held der Leinwand. Ob „Julius Caesar“ oder „El Cid“ – wir haben ihm alles geglaubt. Wir waren jung, und der Mann hatte was. Er konnte so herrlich gequält das Gesicht verziehen und dann doch triumphieren. War natürlich alles nur Spaß, blöde Heldenverehrung eben.

Aber jetzt ist Schluß mit lustig! Das Brusthaar ist grau, die Muskeln schlapp, der ganze Kerl schon 72 Jahre alt. Und was macht so einer, der von Physiognomie und Gestalt her nicht mehr in die alten Militär- und Abenteurerrollen paßt? Genau! Er versucht's im richtigen Leben. Charlton Heston ließ sich zum Vizepräsidenten der National Rifle Association (NRA) wählen. Das ist doch was! Mann ist wieder wer, ein Grauer Panther zwar, aber bewaffnet und gefährlich. Popularität satt! Da darf man sogar wieder auf die Leinwand. In Kenneth Branaghs „Hamlet“ spielt der alte Haudegen wieder mit – den König, was sonst.

Zur Erinnerung: Die NRA ist jene mächtige Organisation, die seit Jahrzehnten jede noch so zahme Verschärfung der laxen amerikanischen Waffengesetze bekämpft. Aktuell führt sie einen Prozeß vor dem Supreme Court gegen das von der Clinton-Regierung erdachte Gesetz zur Registrierung von Handfeuerwaffen.

Privat galt Heston einst als Liberaler. Er setzte sich aktiv für das Civil Rights Movement ein. Doch mit der Zeit driftete er immer weiter nach rechts. Für seinen Schauspielerkumpel Ronald Reagan war er Feuer und Flamme und unterstützte voller Energie dessen Kampf gegen das „Reich des Bösen“. In seiner Antrittsrede als NRA-Vizepräsident bellte Charlton Heston, er sei mächtig stolz darauf, einer Organisation dienen zu dürfen, die die freiheitlichen Grundrechte verteidige – und meinte damit das Recht, jederzeit und überall einen Ballermann durch die Gegend schleppen zu dürfen und ihn auch zu gebrauchen. Das machen die Amis mit wachsender Begeisterung: In 35 Prozent aller US-amerikanischen Haushalte gibt es eine oder mehrere Feuerwaffen. Eine Million Amerikaner und Amerikanerinnen tragen täglich einen Revolver oder eine Pistole bei sich, zwei Millionen bewahren eine Waffe in ihrem Auto auf. Bei Unfällen mit Schußwaffen wurden im vergangenen Jahr in den USA rund 200 Kinder getötet. Tendenz steigend. Charlton Heston möchte gerne, daß das so bleibt. Es sei denn, Clinton baut ihm einen Circus Maximus und tritt selbst als Messala an.