„Gemischte Gefühle“

■ Eine irische Freiheitskämpferin sucht nach einer Neubewertung der IRA-Gewalt

Deirdre O'Shea ist bei den Sozialistischen Republikanern aktiv. Sie kam als kleines Kind mit ihren Eltern aus Dublin nach England und kehrte 30 Jahre später, 1992, nach Irland zurück.

taz: Halten Sie die Anwendung von Gewalt für politische Ziele für gerechtfertigt? Und haben Sie Ihre Einstellung dazu geändert?

O'Shea: Gegenüber früher habe ich jetzt eher gemischte Gefühle. Ich denke, daß der bewaffnete Kampf der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) viel erreicht hat, aber ich bin mir nicht sicher, wie lang das hält. Will das Volk weitermachen? Ich denke, die Leute haben deshalb für Sinn Féin gestimmt, weil sie sahen, daß der bewaffnete Kampf wieder losgehen könnte.

Welche Ereignisse haben Ihre Sicht dieser Dinge geprägt?

Das Civil Rights Movement von 1968, der Angriff auf den Marsch der People's Democracy in Burntollet durch die Loyalisten, der Derry Battle in Bogside 1969. Leute, die für die Menschenrechte demonstrierten, wurden von den Unionisten und der Polizei angegriffen, und da hatten sie das Recht, sich zu verteidigen.

Welche Ereignisse haben Sie persönlich betroffen?

Als ich noch in England lebte, war ich in der Antiinternierungsliga tätig. Im Januar 1972 hat die britische Armee 14 Menschenrechtsdemonstranten in Derry erschossen. Am Tag danach blieb ich am Arbeitsplatz sehr ruhig, doch meine Kollegen wollten meine Meinung hören. Sie selbst verteidigten die Morde der britischen Armee, und es gab Streit. Ich wurde darob angezeigt und bekam die Kündigung. Meine Gewerkschaft unternahm nichts dagegen. Da bin ich ausgetreten.

1974 gab es in Birmingham, also in England, einen Bombenanschlag, den die IRA zu verantworten hatte. Wie sehen Sie den heute?

Ich dachte zuerst an eine verdeckte Aktion der Briten. Später kam heraus, daß es sich um eine nichtautorisierte IRA-Operation handelte. Politische Arbeit wurde danach viel schwieriger. Vorher gab es massive Demonstrationen gegen die Internierungen, danach wurde es fast unmöglich. Die Polizei nutzte nun die Antiterrorgesetze, terrorisierte ihrerseits Iren in England. Das Bombenattentat war schrecklich. Am schlimmsten war, daß viele, die in diesem Pub saßen, Iren der zweiten Generation waren. Interview: Ralf Sotscheck

und John Meehan