Nigeria führt Krieg in Sierra Leone

■ Die westafrikanische Eingreiftruppe geht militärisch gegen die Putschisten unter Major Koroma vor, nachdem eine Verhandlungslösung scheiterte. Den Putschisten bringt das Sympathie in der Bevölkerung

Im westafrikanischen Sierra Leone hat Nigeria mit der gewaltsamen Vertreibung der Militärjunta von Major Johnny Koroma begonnen, die sich am vorletzten Wochenende an die Macht geputscht hatte. Am Morgen eröffnete ein im Hafen der Hauptstadt Freetown stationiertes nigerianisches Kriegsschiff das Feuer auf Ziele in der Stadt. Aus dem von den Putschisten kontrollierten Regierungsviertel wurde mit Schnellfeuergewehren zurückgeschossen. Vor dem Hotel Mammy Yeko, das von Nigerianern bewacht ist, kam es zu Schußwechseln. Hier hatten sich in den letzten Tagen die Ausländer von Freetown zwecks Evakuierung versammelt; noch immer halten sich hier etwa 1.000 Menschen auf, zumeist Einheimische.

Im Hauptquartier der von Nigeria dominierten westafrikanischen Eingreiftruppe in Monrovia, der Hauptstadt des benachbarten Liberia, hieß es, eine „militärische Operation“ sei angelaufen. Liberia ist Ausgangsbasis für die Soldaten aus Nigeria und Ghana, die zusammen mit Truppen aus Guinea seit Tagen zur Niederschlagung des Putsches nach Sierra Leone entsandt werden. Die gestürzte Regierung des gewählten Präsidenten Ahmed Tejan Kabbah hatte am Dienstag Westafrika um Hilfe zu ihrer Wiedereinsetzung ersucht.

Die Kampfhandlungen folgten auf das Scheitern der Gespräche zwischen den Putschisten und Nigeria am Sonntag. Nachdem eine Einigung im Grundsatz fertig war, wonach Juntachef Koroma ins Exil gehen und der gestürzte Präsident Kabbah die Macht wieder übernehmen sollte, machte das Schicksal der Rebellenbewegung „Revolutionäre Vereinigte Front“ (RUF) Probleme, die gegen die frühere Regierung kämpfte und jetzt mit den Putschisten unter Koroma verbündet ist. Die RUF, die Hunderte von Kämpfern nach Freetown entsandt hat, war an den Gesprächen nicht beteiligt. Als die Einigung zwischen Koroma und Nigeria publik wurde, eröffneten RUF-Kämpfer auf nigerianische Soldaten in Freetown das Feuer.

In einer Erklärung der Rebellen hieß es: „Wir gehen nicht mehr in den Busch zurück.“ Die RUF habe sich mit Koromas Soldaten zur „Volksarmee“ vereinigt. In der Nacht zum Montag verkündete Koroma dann die Zusammensetzung einer 25köpfigen Militärregierung mit sich selbst als Präsident und RUF-Führer Foday Sankoh als Stellvertreter.

Die Eskalation des Konflikts in Freetown hat den Putschisten offenbar Sympathie gebracht. Ein Rat aus allen zwölf politischen Parteien Sierra Leones erklärte seine Unterstützung für die Junta. Zahlreiche Einwohner versammelten sich trotz der wiederholten Feuergefechte zu einer Demonstration gegen Nigeria. Koromas Junta hatte zuvor „alle friedliebenden Sierraleoner“ zum Protest gegen die Militärintervention aufgefordert. Zugleich machten die Militärs deutlich, daß sie nicht zum Aufgeben bereit sind. Ein Juntasprecher sagte: „Wir sind bereit, bis zum Letzten zu kämpfen.“ D.J.