Selbstmordversuch vor drohender Abschiebung

■ Flüchtling aus Armenien verletzte sich selbst. Bis zur Genesung darf er bleiben

Hannover (taz) – Vor den Augen der Beamten, die ihn und seine Familie abschieben wollten, hat sich in Porta Westfalica ein 36jähriger Asylbewerber aus Armenien bei einem Selbstmordversuch schwer verletzt. Nach Angaben des Landkreises Minden-Lübbecke stieß sich der Mann ein Messer in den Unterbauch, nachdem ihm ein Mitarbeiter des Ausländeramtes in der vorigen Woche die Modalitäten der noch für den gleichen Tag geplanten Abschiebung erklärt hatte.

Mit der Stichwaffe in der Hand hatte der Flüchtling zuvor „Ich kann nicht zurück nach Armenien!“ gerufen. Der Mitarbeiter des Landkreises reagierte nach dem ersten Verletzungsversuch sofort und riß dem Verzweifelten das Messer aus der Hand. Durch den Stich erlitt der 36jährige innere Verletzungen, die sich aber im Klinikum Minden nicht als lebensgefährlich herausgestellt haben. Nach Angaben der Landkreissprecherin kann der seit 1993 in Deutschland lebende Armenier in einigen Wochen das Krankenhaus ohne bleibende Schäden wieder verlassen.

Die Familie des Armeniers, der mit seiner Frau, seiner Tochter und seiner Mutter in die Bundesrepublik geflohen war, ist yesidischen Glaubens. Ihren Antrag auf politisches Asyl hatte die Familie im Sommer 1993 mit der Verfolgung der Yesidi durch die christliche Mehrheit in Armenien begründet. Die Flüchtlinge berichteten von Übergriffen ihrer Nachbarn und davon, daß ihnen ihr Vieh vom Feld getrieben worden sei. Schutz durch die armenische Polizei sei ihnen verweigert worden.

Da die Asylbewerber aber nicht vom armenischen Staat verfolgt worden seien, hatte des Bundesamt in Zirndorf schon 1996 ihr Asylbegehren abgelehnt.

Danach hatte sich die Familie an den Petitionsausschuß des nordrhein-westfälischen Landtages gewandt. Gegen die Zusage, bis Ende April 1997 freiwillig aus der Bundesrepublik auszureisen, verzichteten die Behörden auf eine Abschiebung während des Winters nach Armenien. Einen Asylfolgeantrag wies das Bundesamt zuletzt als unbegründet zurück.

Nach Angaben des Landkreises können Frau, Tochter und Mutter des Verletzten zumindest so lange in Porta Westfalica bleiben, bis der Familienvater aus dem Krankenhaus entlassen wird. Jürgen Voges