Mit Alkohol interpunktiert

■ Bierselig: „Bullen haben immer recht“von André Héléna

„Es war das erste Mal, daß ich in einer Zeitung etwas las, das mich persönlich betraf und nicht unter die Rubrik Prozeßberichterstattung fiel“. Diese signifikante Erfahrung macht Théophraste Renard beim Studium einer Pariser Zeitungsannonce, in welcher er sich als männliche Mätresse offeriert. Frisch aus der Haft entlassen gedenkt er seine kriminelle Vergangenheit hinter sich zu lassen und rechtschaffen zu werden. Da er Aufenthaltsverbot in Paris hat und in der Provinz keine Arbeit findet, versucht er unterzutauchen und sich zunächst als Gigolo zu verdingen.

Renard ist der ich-erzählende Held des Romans Die Bullen haben immer recht, den André Héléna (1919-1972) im Jahre 1949 schrieb, und der nun erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt. Recht hat auch, wer von dem bodenständig-reißerischen Titel auf den Inhalt des Buches schließt. Denn die Geschichte über den kriminellen Teufelskreis, bedient sich zahlreicher Klischees des Kriminal- und Knastromangenres. So pflegt der Ex-Halunke und Möchtegern-Normalo Renard eine Art subproletarischen Gaunerjargon. Das Figureninventar seiner halbseidenen Lebenswelt trägt erratische Ganovenspitznamen wie „Arthur, die Waffel“oder „Freddy, der Frosch“, und die Geschichte wird vom obligatorischen Konsum diverser Alkoholika interpunktiert. Das Geschehen spielt sich recht vorhersehbar in wenigen groben Erzählsträngen ab. Nach den Schilderungen der Selbstresozialisierungsversuche Renards und seiner erneuten Verhaftung, spielt die zweite Hälfte des Buches im Gefängnis. Dabei liest sich die Darstellung von Verhören, Haftbedingungen und vorprogrammierten Gerichtsverhandlungen als kriminaleske Kritik an gesellschaftlichen Mißständen: Nach einem durch Schläge erzwungenen Geständnis, erblickt der un schuldige Renard eine Zeitungsschlagzeile „Die UNO und die Menschenrechte“.

Die Bullen haben immer recht verfügt aber, bei aller Schablonenhaftigkeit, zumindest über einen eigenen Ansatz. Den Absturz ins Banale verhindern glückliche Formulierungen. Eine Grundschule ähnelt einem „Familiengrab“, und das Folter-Verhör wirkt „wie ein Ausschnitt aus der Hölle frei nach Jean-Paul Sartre“. Wenngleich es wenig überrascht, wie das Spiel für Renard am Ende aus ist, vermittelt André Héléna den Weg dorthin immerhin kurzweilig und nicht ganz humorlos. Und das ist ja auch schon einiges. Christian Schuldt

André Héléna: „Bullen haben immer recht“, Hamburg 1997, Edition Nautilus, 192 Seiten