Egal, ist ja Circus

■ Wie Bernhard Paul trotz Bürokratie seit 20 Jahren „Roncalli“macht /Ab 20. Juni

Es ist zum depressiv werden. Die Regierung verschwendet Steuergelder, das Volk läuft mit nach unten hängenden Mundwinkeln durch die Gegend, und der Circus ist eigentlich so gut wie tot. Wenn man Bernhard Paul, dem Mitgründer und Direktor des „Circus Roncalli“, zuhört, muß der Weltuntergang unmittelbar bevorstehen. Doch wenn der gerade 50jährige ihn – wie gestern beim Werbetrommeln für das nächste Bremer „Roncalli“-Gastspiel Ende Juni – verkündet, ist er wenigstens zum Kichern.

„Früher gab es Quacksalber und Schauspieler auf den Marktplätzen“, weiß der Circus-Experte. Und: „Die Quacksalber sind Ärzte geworden, und die Schauspieler können den Hamlet nicht spielen, weil sie die Lindenstraße synchronisieren müssen.“Das Fazit: „Nur noch der Circus ist vogelfrei.“

Und vogelfrei heißt in Deutschland anno 1997: Auf kafkaeske Weise in einem wuchernden, wabernden, in alles reinredenden bürokratischen Apparat verwickelt zu sein. „Am Anfang hatten wir einen Bürowagen“, erinnert sich der Chef des seit 20 Jahren bestehenden Unternehmens und seufzt: „Heute brauchen wir fünf.“

Circus-Machen ist ohne Trotzhaltung offenbar unmöglich. Auf die Frage, woher er seine Anregungen bekommt, antwortet Bernhard Paul: „Aus einem Behördenschreiben, in dem steht: ,Das Nashorn ist geruch- und geräuschlos unterzubringen'.“Schon sind zwei Leute in Bürowagen drei in Beschlag genommen. Die anderen ringen derweil noch mit den Städten Köln und Düsseldorf. Für sein geplantes Circus-Museum habe die Stadt Köln den Nachweis von 500 Parkplätzen erbringen müssen, beschwert sich Paul. „So viele Parkplätze hat nicht einmal das Müngersdorfer Stadion.“Und wie viele will Düsseldorf? „Keine Ahnung“, der Bescheid sei noch nicht ergangen.

Wenigstens in einem Punkt hat die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt die Domstadt ausgestochen: Schon im Oktober will Bernhard Paul in direkter Nachbarschaft des Ministerpräsidenten Johannes Rau ein Varietè eröffnen. „Es ist das 12. Varieté der Republik.“Ohnehin dränge es die ArtistInnen wieder in feste Häsuer. Weil: „Im Theater ist ein Auftritt des Seifenblasen-Zauberers Kunst, doch im Zirkus ist es Gewerbetreiben.“

So ist Paul wenigstens in Düsseldorf bei der Kunst dabei: „500 Plätze – gleich unter der Kniebrücke“, sagt Paul und legt sich den Wiener Schmäh zurecht: „Moine Mutter hat g'sagt: ,wenn du nichts lernst, landest du beim Circus oder unter der Brücke' – sie hat in beidem Recht behalten.“

Tja, der Circus. Völlig neu sei das Programm zum 20jährigen Jubiläum, kündigt Pauls Pressesprecher an. Aber das wilde Reiten und den weißen Clown Francesco gab's doch schon beim letzten Bremen-Auftritt im Oktober 1994? Schweigen. Egal, ist ja Circus. Und der reist Ende Juni garantiert mit zwei Sonderzügen, 80 historischen Wagen, einem Zelt für 1.500 ZuschauerInnen, 150 Mitwirkenden, zwei Hunden und 20 Pferden an. ck

„Circus Roncalli“gastiert mit „Die Legende lebt“vom 20. Juni bis 20. Juli auf dem Grünenkamp; Karten gibt's bei einem Sonderverkaufsstand bei Karstadt