Die Wucht der Fragen

■ Rudolf Herz macht mit Politkunst und Umzugskisten im Museum Weserburg Station

Recycelte Utopien sind derzeit im Neuen Museum Weserburg zu sehen. Im abgedunkelten Giebelraum des 4. Stockwerkes hat der Künstler Rudolf Herz elf Pappkartons verteilt, aus denen in höchst ästhetischer Manier rotes, blaues, grünes und weißes Neonlicht strahlt. Ein Ensemble, das auf den ersten Blick so minimalistisch wirkt, als hätte der Neonkünstler Dan Flavin seinen Kollegen Donald Judd gebeten, ihm mit seinen bunten Kästen beim Umzug zu helfen.

Doch der Schein des puren Formalismus trügt. Denn Herz übt sich keineswegs in Inhaltsverzicht. Ganz im Gegenteil. Er bombardiert sein Publikum mit den Resten einer politischen Ikonographie und fordert es auf, über deren Scheitern nachzudenken.

„Die Revolution sind wir“, leuchtet es da etwa – mit deutlichem Anklang an Beuys – aus einem Dia, das von einem Projektor an die Karton-Innenwand projiziert wird, während man in einem anderen Karton das siegessichere Strahlen der „jungen Pionierin“auf einem Foto von Alexander Rodtschenko erblickt.

Noch bedeutungsschwerer wird Herz, wenn er – ein paar Kartons weiter – das Portrait von Adolf Hitler neben das von Marcel Duchamp montiert – beide vom Fotografen Heinrich Hoffmann aufgenommen. „Ein überaus merkwürdiges Paar, an dem zwei völlig entgegengesetzte Kunstauffassungen festgemacht werden können“, wie Kurator Peter Friese kommentiert. In der Tat. Nur: Was will uns der Künstler damit sagen? Etwa, daß man Duchamp und Hitler in einen Karton stecken kann? Doch wohl kaum.

Unverfänglicher als hier ist Herz, wenn er den „Verschleiß politischer Ikonographie“dadurch kommentiert, daß er Teile einer „Aeroflot“-Neonwerbung in Kisten packt oder den italienischen Schriftzug „Fortunati“so knickt, daß er als Symbol zerstörter Glücksutopien wirkt. Doch auch hier bleibt die Botschaft merkwürdig in der Schwebe zwischen inhaltlichem Anspruch und formalistischer Enthaltung. Ein Eindruck, der sich durch die gesamte Ausstellung zieht, und den auch das Buch nicht zerstreut, das anläßlich der Schau publiziert wurde.

Auch darin präsentiert sich Rudolf Herz als reiner Dekonstruktivist, der in Baudrillardscher Manier viel darüber zu sagen hat, daß es nichts gesichertes zu sagen gibt. Genau darin liegt seine schwer erträgliche Provokation, der man nur entgeht, wenn man seine Installationen als rein ästhetische Inszenierungen auffaßt. Die Krux dabei ist nur: Sie wollen sich partout nicht als solche auffassen lassen.

Und so bleibt man nach dem Ausstellungsbesuch ratlos zurück. Denn Herz' Kunst ist eine radikale Zertrümmerung des gewohnten Gefüges von Form und Inhalt, ohne den BetrachterInnen für das Zertrümmerte einen Ersatz zu bieten. Auf daß sie erkennen mögen, daß politische Kunst zwar Fragen, aber keine Antworten liefern kann. Moritz Wecker

Rudolf Herz, „Transit II“im Neuen Museum Weserburg, noch bis 8. Juni. Zur Ausstellung ist ein Katalogbuch von Peter Friese erschienen