Kinder in "Läusepensionen" verfrachtet

■ Unbegleitete Flüchtlingskinder müssen häufig in Obdachlosenunterkünften schlafen. Spandau und Tiergarten weisen nahezu alle jugendlichen Asylsuchenden dorthin ein. Grüne Jugendstadträtin fordert ande

Die Jugendämter weisen minderjährige Asylsuchende, die ohne Eltern hier sind, massenhaft in sogenannte „Läusepensionen“ ein. Von den 2.076 minderjährigen Flüchtlingen, für deren Unterbringung die Bezirke zuständig sind, leben nur 670 in Kinderheimen, wie es das Kinder- und Jugendhilfegesetz vorschreibt. 1.362 unbegleitete Kinder müssen laut einer amtlichen Statistik in Asylbewerberunterkünften oder Pensionen wohnen – zusammen mit Erwachsenen. Dort sind die Kinder nicht nur ohne jugendgemäßem Schutz, es ist auch niemand da, der sich um ihre Belange kümmert.

Rechtsanwalt Lüder Suling vertritt einen vierzehnjährigen Kurden, der in der Weddinger Pension „Winkler“ wohnte. Dort kümmerte sich niemand darum, den Jungen in einer geeigneten Schule anzumelden. Suling berichtete, der Vormund vom Treptower Jugendamt hätte sich kein einziges Mal bei dem Jungen sehen lassen, obwohl er dessen Umzug in ein Heim ohne Betreuer zugestimmt hatte. „Der Vormund kommt der Personenfürsorge nicht nach“, so der Rechtsanwalt. Das jüngste Kind, das die Behörden in eine Läuspension verbrachten, ist ein 12jähriger Rumäne. Dem ehemaligen Bukarester Straßenjungen wurde vom zuständigen Schöneberger Jugendamt schon mehrfach ein Platz in ein Kinderheim angeboten. Da er immer wieder mit der Heimordnung in Konflikt geriet, so die zuständige grüne Jugendstadträtin Ulrike Herpich, habe er auf eigenen Wunsch ausziehen wollen. Laut Herpich stelle sich der Senat nicht der besonderen Problematik von Straßenkindern und biete keine niedrigschwelligen Angebote an. Der Senat glaube, das Problem durch Abschiebung dieser Kinder vom Tisch zu kriegen. „Das ist Augenwischerei. Viele dieser Kinder kommen wieder nach Berlin. Und es kommen neue“, sagte die Jugendstadträtin.

Die Zahl der Minderjährigen in nicht kindgemäßen Heimen ist in den Bezirken unterschiedlich groß. Spandau und Tiergarten lassen nahezu alle, Schöneberg, Mitte und Lichtenberg etwa die Hälfte der unbegleiteten Jugendlichen dort wohnen. In Treptow sind es 70 Prozent. Das Jugendamt lasse sich von den Kindern und Jugendlichen „unterschreiben, daß sie so wohnen wollten“, erläuterte Stadtrat Joachim Stahr (CDU). Als Motiv der Jugendlichen vermutet sein Amtsleiter Michael Weiß, „daß sie dort noch mehr abzocken können“. Während es in Kinderheimen für 14jährige nur knapp 100 Mark Taschengeld auf die Hand gibt, sind es in den Pensionen über 500 Mark Sozialhilfe. Davon müssen sich die Kids dann – anders als in Heimen – selbst verpflegen. Stahr behauptete, dem Amtsvormund bleibe nichts anderes übrig. Wenn das Mündel es wünsche, müsse er einer Unterbringung in eine Pension zustimmen. Dem widerspricht die bündnisgrüne Kinderpolitikerin Elfi Jantzen: „Der Vormund kommt seiner Fürsorgepflicht nicht nach, wenn er die Jugendlichen nicht für eine kindgemäße Unterbringung motiviert.“ Sie vermutet, daß der Vormund in Interessenskonflikte komme: „Ihm ist die Bezirkskasse näher als das Wohl der Flüchtlingskinder.“ Marina Mai