Freispruch erster Klasse für Blaudszun

■ Der Ostberliner Verweigerer muß nicht einrücken und bekommt Entschädigung

Der Fall des jungen Mannes hatte bundesweit Aufsehen erregt, als ein Haftrichter ihn 1995 wegen des Vorwurfs der Fahnenflucht für zwei Monate in Untersuchungshaft nahm. Jetzt entschied das Kammergericht, Blaudszun habe sich nichts zuschulden kommen lassen, als er sich seiner Einberufung widersetzte. Für die U-Haft sprachen die Richter dem heute 28jährigen eine Entschädigung zu.

Bereits zu DDR-Zeiten hatte Blaudszun den Militärdienst verweigert und auch den verkappten Ersatzdienst als „Bausoldat“ abgelehnt. Als er später nach einem gescheiterten Fluchtversuch über die deutsch-deutsche Grenze zu siebzehn Monaten Gefängnis verurteilt wurde, war das – davon war Blaudzsun überzeugt – auch Strafe für seine Verweigerung. Deshalb glaubte Blaudszun auch an einen schlechten Scherz, als ihn nach der Wiedervereinigung das Kreiswehrersatzamt zur Musterung bestellte. Er habe doch bereits verweigert, gab er zu Protokoll, und tauchte nie in der Kaserne auf.

Bei seiner Rückkehr von einem längeren Auslandsaufenhalt warteten dann 1995 schon die Feldjäger am Flughafen auf ihn. Nach zweimonatiger U-Haft verurteilte ihn das Amtsgericht wegen Fahnenflucht zu drei Monaten Gefängnis auf Bewährung. Erst in der zweiten Instanz, vor dem Landgericht, konnte Blaudszun anhand seiner 1.300 Seiten dicken Stasi- Akte aus dem Gauck-Archiv nachweisen, daß seine Verweigerung schon zu DDR-Zeiten amtlich war. Das Gericht erkannte das an – und verurteilte ihn dennoch. Subjektiv und rechtlich habe Blaudszun sich nicht wie ein anerkannter Verweigerer, sondern wie ein fahnenflüchtiger Soldat verhalten. Dieser abenteuerlichen Begründung wollte das Kammergericht jetzt nicht folgen. Die „irrige Annahme“, er sei Soldat, obwohl er längst als Kriegsdienstverweigerer anerkannt sei, könne dem Angeklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, entschied das Gericht und sprach Blaudszun frei. Vera Gaserow