Claudia Noltes Mogelpackung

Das Bundesfrauenministerium veröffentlichte die nationalen Umsetzungsstrategien der Pekinger UN-Frauenkonferenz: viel Papier, wenig Inhalt  ■ Von Christa Wichterich

Ohne große Pressemitteilung, sozusagen klammheimlich, erblickten die nationalen Strategien zur Umsetzung der Aktionsplattform der Vierten Weltfrauenkonferenz das Licht der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Das Bundesfrauenministerium unter Führung von Claudia Nolte (CDU) wußte gewiß, warum. Zwar hat es eine Menge Papier auf den Markt geworfen – vier teils dickleibige Dokumente. Doch der interessanteste Kern, nämlich die lange angekündigten nationalen Umsetzungsstrategien, füllen gerade einmal 38 Seiten.

Da fragt frau sich natürlich, welch wunderbarer Arithmetik sich das Frauenministerium bedient hat, um die zwölf Problembereiche der Aktionsplattform mit ihren 240 Paragraphen auf 127 eng bedruckten Seiten zu nur 38 spärlich beschriebenen Seiten einzuschrumpfen. Der Grund wird genannt, die Methode ist offensichtlich. „Vieles von dem, was in der Aktionsplattform gefordert wird“, aalt sich das Ministerium in Genugtuung, „ist in Deutschland bereits Realität oder Bestandteil der Gleichberechtigungspolitik in Bund, Ländern und Kommunen.“

Also – so offenbar der Schluß – darf das Ministerium seine Umsetzungsstrategien auf drei ausgewählte Problembereiche beschränken: 1) Zugang von Frauen zu Entscheidungspositionen, 2) Verbesserung der Situation der Frauen in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt, 3) Menschenrechte und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Warum diese drei und keine anderen, wird nicht erläutert.

Andernorts mag ja in der Kürze die Würze liegen, hier aber liegt in ihr ein Armutszeugnis. Daß in einer Zeit, wo Sozialabbau und Kürzungsfallbeil Frauen hart, ja härter als Männer treffen, daß da soziale Sicherung und Armutsbekämpfung nicht zu einem Schwerpunktthema gemacht werden, spricht der Realität der politischen Entwicklung in Deutschland Hohn und ist ein Schlag ins Gesicht vieler existentiell bedrohter Frauen.

Ein paar Modellversuche in CDU-regierten Ländern, ein klägliches Repertoire von Fördermaßnahmen, eine Tagung hier, eine Fachkonferenz dort, einige Forschungsprojekte, Material zur Öffentlichkeitsarbeit – das, was uns hier als Umsetzung auf Bundes- und Länderebene präsentiert wird, ist ein dürftiges und nicht konzises Sammelsurium von Einzelmaßnahmen. Den Namen Strategie verdient es jedenfalls nicht.

In allen drei Schwerpunktbereichen fehlen die zentralen Forderungen, die von seiten der regierungsunabhängigen Organisationen und der Oppositionsparteien erhoben wurden. Quotierung soll auf Bundesebene keine Rolle beim Zugang zur Entscheidungsmacht spielen, ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft und die Abschaffung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (610-Mark-Jobs) werden nicht als arbeitsmarktpolitische Maßnahmen genannt. Die Forderung nach einem regelmäßigen geschlechtsdifferenzierenden Armutsbericht in der Bundesrepublik fand keinen Eingang in das Papier, weil es das Thema Armut wieder einmal nur im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit aufgreift und damit erneut die Tatsache wachsender Armut in dieser unserer Republik leugnet. Ebensowenig wurde die Forderung nach Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgrund aufgenommen, denn Migrantinnen sind kein Thema für die Bundesregierung.

Vieles bleibt vage und beliebig nebeneinander stehen. Was hat die geplante Änderung der Bayerischen Verfassung, daß Mädchen in „Säuglingspflege, Kindererziehung und Hauswirtschaft“ unterwiesen werden müssen, mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun? Was heißt denn bitteschön konkret „eine striktere Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen im Rentenrecht“? Ebenso rätselhaft ist, was die in Thüringen geplante „Projektarbeit ,Urlaub auf dem Bauernhof‘ – Umweltschutz“ mit der Umsetzung der Forderung ,Frauen im umweltpolitischen Entscheidungsprozeß‘ zu tun hat.

Wie schon im nationalen Bericht für die Peking-Konferenz liegt die Würze in den Auslassungen. Lapidar heißt es: „Im mittelfristigen Aktionsprogramm der EU zur Chancengleichheit 1996–2000 ist der Aktionsbereich ,Mitwirkung von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen und in Führungspositionen‘ ein wichtiger Schwerpunkt.“ Nicht gesagt wird, daß es die Bundesregierung war, die unmittelbar nach der Peking-Konferenz dafür sorgte, daß das EU-Aktionsprogramm jetzt nur mit der Hälfte der veranschlagten Mittel läuft. Ebenso munter wird behauptet: „Die Bundesregierung setzt sich im Rahmen der Revision der Maastrichter Verträge für die Verankerung des Gleichberechtigungsgrundsatzes in den EU-Verträgen ein.“ Dabei schlägt die European Women's Lobby in Brüssel derzeit Alarm, weil gerade die Deutschen in den Verhandlungen blockieren und verhindern.

Beharrlich wehrt sich das von der früheren Frauenministerin Angela Merkel (CDU) geführte Bundesumweltministerium gegen geschlechtsdifferenzierende Ansätze in der Umweltpolitik. In der Bewertung der Ergebnisse der Peking-Konferenz heißt es: „In einem hochindustrialisierten Land wie der Bundesrepublik richtet sich Umweltpolitik an die gesamte Bevölkerung, d.h. an alle gesellschaftlichen Gruppen, und bindet Frauen gleichberechtigt mit ein.“ Was aber sollen wir dann bitteschön unter diesem Absatz in den Umsetzungsstrategien verstehen: „Insbesondere im Umweltbereich sollen Frauen verstärkt motiviert werden, sich einzubringen.“ Noch mehr als Hausfrauen des Umweltschutzes tätig werden, noch eifriger Müll sortieren und allergiekranke Kinder pflegen?

Die regierungsunabhängigen Organisationen packen sich an den Kopf: Was ist aus ihrer ehrenamtlichen Zuarbeit geworden? Wie schon beim nationalen Bericht für die Weltfrauenkonferenz, so sind auch dieses Mal ihre Vorschläge nicht in das veröffentlichte Endprodukt eingegangen. Einige sind nach einem willkürlichen Auswahlprinzip im Anhang dokumentiert. Die Strategie ist eindeutig: Es werden ein paar Spielwiesen eröffnet, das Ministerium brüstet sich, die regierungsunabhängigen Organisationen beteiligt zu haben, doch politikgestaltender Einfluß wird ihnen nicht zugestanden.