■ Der Verfassungsschutz soll künftig Scientology beobachten
: Maßnahme ohne Verstand

Sie haben sich alle dafür in die Bresche geworfen, daß dieser Tagesordnungspunkt auf der Innenministerkonferenz behandelt wird: Soll der Verfassungsschutz die Scientology-Organisation bundesweit beobachten? Soll er? Von SPD bis CDU ist man dafür, Kanthers Schlapphüte auf den Psychokult anzusetzen. Das sei das sachlich richtige Mittel und ein politisch wichtiges Signal, heißt es.

Merkwürdigerweise wird eine andere Frage nicht gestellt: Was, um alles in der Welt, bringt es, wenn der Verfassungsschutz Scientology unter seine Lupe nimmt? Was werden sie enthüllen, die Herren, das nicht längst bekannt ist? Scientology ist demokratiefeindlich. Richtig. Die Organisation steht für ein Menschen- und Gesellschaftsbild, das dem Grundgesetz widerspricht. Ja. Die Sekte beutet Menschen, die sie angeworben hat, psychisch und finanziell aus. Stimmt. Wer die Schriften Hubbards liest, findet darin vieles, das man nur als faschistoid bezeichnen kann. Ganz klar: Mit Rechtsstaatlichkeit hat Scientology nichts am Hut.

Die verdeckten und offenen Aktionen von Scientology gehören ans Tageslicht. Es gibt jede Menge Veröffentlichungen, die genau das getan haben: minutiös Gesetzesverstöße dieser Organisation aufzulisten und zu beweisen. Diese Kenntnisse gilt es im Alltag der Republik anzuwenden. Wo muß überlegt werden, ob und wie Miet-, Steuer-, Vereins- und Gewerberecht greifen, um auch solcher Gruppen und ihrer nicht selten kriminellen Machenschaften Herr zu werden? Polizisten und Richter müssen wissen, warum zum Beispiel ein Chemiker Betriebsgeheimnisse verkauft, der bei Scientology ist. Vielleicht hatte er schlicht nicht genug Geld, um seine horrend teuren Kurse zu bezahlen. Der Druck von seiten des Psychokults kann dann so stark sein, daß jedes Rechtsempfinden ausgeschaltet wird. Um die Hintergründe für solche Kriminalfälle zu verstehen, sind Kenntnisse gefragt. Die kann man sich mühelos aus Buchladen und Bibliothek holen. Oder bei der Arbeitsgruppe Scientology beim Hamburger Senat und den Sektenexperten, zum Beispiel vom Berliner Jugendsenator, nachfragen.

Das Geld, das uns der Verfassungsschutz für seine Scientology-Enthüllungen kosten wird, sollte besser Informations- und Beratungsstellen zugute kommen und – noch besser – einem zu gründenden Sektenopfer-Fonds. Liane v. Billerbeck

Die Autorin lebt als freie Journalistin in Berlin