■ Berlin: Elektronische Fußfesseln statt Strafvollzug?
: Untaugliche Reform

Der Gedanke ist simpel: Warum soll man verurteilte Straftäter nicht mittels moderner Überwachungstechnik in ihren eigenen vier Wänden inhaftieren? Über eine elektronische Fußfessel mit der Überwachungszentrale verbunden, hat man sie unter Kontrolle und spart sogar noch Haftkosten, denn ernährt und versorgt werden sie von ihren Angehörigen. Berlins Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit denkt über solch eine Form von Knast schon des längeren nach – und auf den ersten Blick hat es ja auch was: Wer ist bei einer Strafverbüßung nicht lieber hinter den eigenen Vorhängen als hinter schwedischen Gardinen? Selbst Hafterleichterungen wären möglich, wenn etwa bei guter Führung der Bewegungsmelder neu justiert und der Radius, innerhalb dessen man sich bewegen könnte, auf den Garten ausgedehnt oder gar bis zur nächsten Kneipe erweitert würde?

Vor solchen Gedankenspielen ist zu warnen. Mit „humanem Strafvollzug“ hat die Sache wenig zu tun. In Frage kommen für diese Art von Haft lediglich TäterInnen mit geringen Verfehlungen, die Drogenkonsumentin, der notorische Kaufhausdieb oder Schwarzfahrer u.ä. Also jene, die der Frau Senatorin Justizapparat durch unerledigte Aktenberge verstopfen. Kriminelle wandern auch weiterhin hinter Gitter. Zu erwarten ist also, daß solche Überlegungen, die unterdessen die Form einer Bundesratsinitiative annehmen, die Justiz nicht so sehr „entlasten“, dafür aber verändern werden.

Eine Verurteilung zu „elektronischem Hausarrest“ läßt sich mit weniger juristischem Aufwand, also erheblich schneller und billiger durchführen. Mit der Annahme der Bestrafung durch die Verurteilten ist in den meisten Fällen zu rechnen, was wiederum Folgeprozesse vermeidet. Die Erfahrungen zeigen indes, daß mit dem Grad der justitiellen Vereinfachung auch deren Bereitschaft zur Anwendung einer Sanktion steigt: Wer keinen Widerspruch erwarten muß, urteilt schneller. Wahrscheinlich ist zudem, daß zwar schneller, aber auch mehr verurteilt wird – und die Bestraften mit diesen „milden Mittel“ einverstanden sind: Der Nachbar merkt's ja nicht. Auf der Strecke bleiben dabei u.U. die Rechtsansprüche der Betroffenen, mit Entkriminalisierungsfragen muß man sich gar nicht mehr befassen, und dem Zeitgeist entspricht es sowieso, denn die Arrestüberwachung ließe sich privatisieren. Otto Diederichs

Der Autor ist freier Journalist in Berlin