Die Last mit der Lust ...

■ ... am Chefinnen-Dasein: Interview mit Dette Alfert von Frau und Arbeit über ausgesprochen weibliche Ängste und wie frau damit umgehen kann

Seminare über richtiges Führen und Leiten boomen. In vielen dieser Veranstaltungen geht es jedoch vor allem um rein fachliche Fähigkeiten wie Finanzplanung, PR, Personalführung. Ausgeblendet werden dagegen Themen wie das eigene Konfliktverhalten, der persönliche Führungsstil, das Leiden an der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit ... Anders in den Seminaren des Bildungsträgers „Frau und Arbeit e.V.“, an denen Leiterinnen zum Beispiel von Bildungsträgern, Architekturbüros oder Krankenhäusern teilnehmen, aber auch Frauen, die sich den Schritt in die Leitungsebene noch überlegen. Über Ängste und Fehler im Chefinnen-Alltag befragte die taz hamburg Dette Alfert. Sie ist bei „Frau und Arbeit“verantwortlich für die Leiterinnen-Seminare und freiberuflich tätig als Coach.

taz: In Ihren Kursen muß jede Teilnehmerin mal die Führung über das Team übernehmen. Was fällt dann besonders schwer?

Dette Alfert: Ganz häufig haben die Frauen Schwierigkeiten damit, etwas, das sie unbedingt wollen, bis zum Schluß zu begründen, sich also auch einer Auseinandersetzung zu stellen. Frauen nehmen allzugern an, daß ihnen Unterstützung gegeben wird, weil sie so wacker arbeiten, dafür, daß sie so fleißig sind. Sie sind weniger gewohnt, für das, was sie haben wollen, auch einzutreten. Es gibt aber immer Leute, die nicht das wollen, was ich will. Darüber erschrecken viele Frauen, sie ziehen sich zurück und hadern mit sich, statt offensiv zu bleiben.

Also muß man als Chefin ertragen können, daß man gehaßt wird?

Daß man nicht immer nur einig sein kann. Daß das aber trotzdem nicht heißt, daß das Team oder die eigene Idee nicht gut sind.

Selbstzweifel plagen Frauen ja auch schon, wenn sie für eine Leitungsposition vorgeschlagen werden: Ist diese Rolle nicht eine Nummer zu groß für mich? Halte ich soviel Einsamkeit aus, kann ich so tough sein, immer 100prozentig ... Welche Ängste sind letztlich berechtigt?

Berechtigt ist die Angst, daß man alleine ist, weil man nicht mehr so eingebunden ist in ein Team. Viele Frauen verständigen sich lieber in Gruppen, entwickeln was gemeinsam, checken es vor allem vorher genauestens durch. Als Leiterinnen aber müssen sie sehr komplexe Situationen allein entscheiden, auch auf das Risiko hin, falsch zu entscheiden. Das ist ungewohnt. Das macht Angst. Männer fühlen sich auch dann als richtiger Chef, wenn sie Fehler machen.

Und was ist mit der Befürchtung, von jetzt ab immer tough sein zu müssen? Sich bei Untergebenen auszuheulen, sei strikt verboten, behauptet eins dieser neuen Karrierebücher für Frauen.

Natürlich darf ich heulen. Nur muß ich gucken, mit wem ich das machen kann und mit wem nicht, in welcher Situation, in welcher nicht. Es gibt Situationen, da komme ich an eine Grenze, fachlich und emotional – da ist es selbstverständlich, sich ein Stück weit rückzuvermitteln, auch mit den damit verbundenen Gefühlen. Es kann aber auch Situationen geben, wo ich in Konflikt bin mit meinem Team, das aber nicht aushalte und dann vom gleichen Team getröstet werden will – das ist natürlich daneben.

Darf eine Chefin um Rat fragen? Ein Karriereleitfaden meint, Frauen sollten zumindest nicht wegen jeder Kleinigkeit bei Kollegen oder Vorgesetzten nachfragen...

Ja, das beobachte ich auch oft: Viele Frauen wollen immer noch eine Bestätigung bekommen, wollen jemand an der Seite haben, der sagt, ist gut, machen Sie mal. Statt sich zu sagen: Ich kann es, ich mach es, ich brauche keine Extra-Aufforderung. So wie man bei internen Bewerbungsverfahren nicht wie eine artige Tochter darauf warten sollte, daß einen jemand unterstützen wird, sondern selbst planen sollte.

Man sollte sich also selbst einen Mentor aufbauen?

Genau. Einen, den man schätzt, der aber die wichtigsten Karriereschritte schon hinter sich hat. Und den dann bei einem wirklich kniffligen Problem gezielt fragen: Können Sie mir einen Tip geben, können Sie mich da unterstützen? Nur: Da haben viele Frauen ein großes Aber: Man dürfe Beziehungen doch nicht instrumentalisieren, gezielt für eigene Zwecke nutzen.

Also stehen Chefinnen doppelt alleine da: Weil sie an der Spitze stehen und sich außerdem nicht richtig um den Aufbau einer Hausmacht kümmern.

Ja, und damit verdrängen sie, daß bei knapper werdenden Ressourcen die Männer nämlich dafür sorgen werden, daß sie ihre Position nicht verlieren. Das heißt, es wird künftig für Frauen noch stärker darum gehen, nicht darauf zu warten, daß man geholt wird. Es geht darum, sich den Raum zu erobern, den frau haben will. Und das übrigens auch mit Statussymbolen deutlich zu machen – mit der richtigen Kleidung, dem größeren Zimmer; wenn's sein muß, auch mit einem Vorzimmer. Viele Frauen sagen da, und das ist ganz falsch: Das habe ich nicht nötig. Es fällt Frauen oft unglaublich schwer, auszuhalten, daß sie sich jetzt mehr Raum nehmen müssen in der Institution, dem Betrieb, und zwar auch öffentlich sichtbar.

Das klingt alles sehr anstrengend. Haben Sie denn auch mit Frauen zu tun, die kurz vor dem Burnout stehen?

Ja. Die Fürsorge für sich selbst ist eine zentrale Frage. Es gibt nach wie vor die geschlechtsspezifische Prägung, die heißt: Fürsorge gilt nur anderen.

Laufen Frauen in die Arbeitsfalle eher rein als Männer?

Ja, und die Krisen sind dann immer existentiell. Gerade Frauen in der Lebensmitte, die viel geschafft haben, unglaublich viel geackert haben, spüren plötzlich, daß so viel auf der Strecke geblieben ist. Und da gibt es eben nach wie vor den zentralen Unterschied zu vielen Männern, die den ganzen privaten Bereich abgesichert haben durch Frauen, die allenfalls halbtags arbeiten und die ihnen eine Teilhabe oder zumindest die Illusion einer Teilhabe am sonstigen Leben ermöglichen.

Trotzdem wollen immer mehr junge Frauen hoch hinaus. Müssen sie vor allem fachliche Kompetenz mitbringen oder eher eine spezielle psychische Ausstattung?

Man darf Führung nicht mit Fachlichkeit verwechseln. Zum Führen braucht man eine ganz bestimmte psychische Ausstattung: Man braucht Durchhaltevermögen, was Entschiedenes, auch Disziplin. Und Lust an einer öffentlichen Rolle. Ja, auch Lust.

Wenn Sie in Ihrem Kurs von Lust sprechen, schauen da nicht alle ganz betreten vor sich hin und denken: Das geht mir nun wirklich ab?

Ja klar. Aber ich rede nie zu früh von Lust, denn zunächst ist Führung eine Last. Oder besser: Arbeit, viel Arbeit. Die Lust stellt sich oft erst ein, wenn man ein bißchen was an innerem Repertoire und Rollenverhalten sicherer zur Verfügung hat. Dann kommt ein Gefühl von Entlastung, dann kann man sich freuen über die Ernte.

Fragen: Christine Holch

Frau und Arbeit e.V., Grindelallee 43 (Hinterhof), 20146 Hamburg, Tel.: 450 20 9-0