Lernen will gelernt sein

„Ran an die Zukunft“: Ein Modellprojekt im Stadtteil Eidelstedt betreut Jugendliche vor und während der Ausbildung  ■ Von Sabine Schrader

„Die wollen, die wollen ganz doll.“Uschi Toschka ist begeistert von dem Elan, mit dem sich die 13- bis 14jährigen „Ran an die Zukunft“wagen. Die Sozialpädagogin leitet die Berufsorientierungsmaßnahme „RAZ“in Eidelstedt. Zusammen mit zwei Honorarkräften will sie 30 SchülerInnen aus den 8. Klassen der Hauptschulen Sportplatzring und Lohkampstraße auf dem Weg zum Ausbildungsplatz begleiten.

Berufsfindungsseminare, Bewerbungstraining und Hausaufgabenhilfe gehören zum Konzept des auf drei Jahre angelegten Modellprojekts, das im Januar startete. Das Besondere: Die individuelle Beratung der Jugendlichen soll auch während ihrer Lehre fortgesetzt werden.

Außerdem wollen Toschka und ihre KollegInnen Firmen zum Ausbilden ermutigen. „Es wird zwar viel an die Betriebe appelliert, aber wenig für sie getan, die Ausbildungssituation zu erleichtern“, sagt Uschi Toschka. Die Zusammenarbeit mit den Firmen, damit auch sie ihre Wünsche und Ansprüche formulieren können, ist deshalb wesentlicher Bestandteil der RAZ-Arbeit. Uschi Toschka redet mit den Betrieben im Stadtteil und forscht nach, ob sich aus einem Praktikum nicht ein festes Lehrverhältnis entwickeln läßt.

Viele Jugendliche wollen am liebsten bei einer Firma um die Ecke lernen, hat die Sozialpädagogin beobachtet. Beim Eidelstedter Modell sollen sie ein breites Spektrum an Berufen möglichst hautnah kennenlernen: Neben dem regulären Schulpraktikum sind deshalb zusätzliche Betriebshospitanzen vorgesehen sowie Schnupperlehren in den Einrichtungen der Stiftung berufliche Bildung, die Trägerin des Projekts ist. Hinzu kommen intensive Gespräche mit den PädagogInnen, die den Jugendlichen ein realistisches Bild vom Berufsalltag vermitteln sollen. Bei Problemen am Ausbildungsplatz steht sie beiden Seiten als Ansprechpartnerin zur Verfügung.

Über die Hälfte der Jugendlichen, die teilnehmen, sind Mädchen. Zu den Zielen von Sozialpädagogin Toschka gehört es auch, sie an Berufe heranzuführen, die nicht zu den typischen Frauenberufen gehören. Mit Erfolg: Eine der Schülerinnen weiß schon jetzt, daß für sie nur eine Lehre als Kfz-Mechanikerin in Frage kommt.

Mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 6,6 Prozent liegt Eidelstedt über dem Hamburger Durchschnitt (5,6 Prozent). Anfang 1995 ist Eidelstedt-Nord im Rahmen des Hamburger Armutsbekämpfungsprogramms als „Pilotstadtteil“ausgewählt worden. Dazu gehören Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungssituation. Grund genug für Jürgen König vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, RAZ dem Eidelstedter Projektleiter vorzuschlagen. König kennt das Konzept aus Bremen, wo es bereits in einer Kirchengemeinde erfolgreich praktiziert wurde.

„Das Projekt lebt vom persönlichen Bezug“, erklärt König, vom Gespräch zwischen PädagogInnen, Jugendlichen und Firmen. Zusammen mit der Handwerks- und Handelskammer, dem Arbeitsamt, dem Amt für Schule, Jugend und Berufsbildung, der GEW und Betrieben des Stadtteils wurde ein Jahr lang beraten, bevor RAZ im Januar endlich loslegen konnte. 60.000 Mark kommen aus dem Armutsbekämpfungsprogramm, die laufenden Kosten übernimmt das Amt für berufliche Aus- und Weiterbildung. Die Räume in der Sola-Bona-Villa an der Kieler Straße stellt das Bezirksamt Eimsbüttel kostenlos zur Verfügung.

Einziger Wermutstropfen: Die TeilnehmerInnenzahl ist auf 30 Jugendliche begrenzt. Doch schon jetzt erhält das Projekt Anfragen weiterer Schulen aus dem Stadtteil, die sich beteiligen wollen. Uschi Toschka: „Der Bedarf ist riesig.“