Die Charlotte von Mahlsdorf in dir

■ Das Praterspektakel handelt entspannt von Wunsch, Maschine, Klon und Mensch

Was ein Mensch ist, was eine Maschine, ein Wunsch oder auch ein Klon, darüber gibt es beim diesjährigen Praterspektakel natürlich verschiedene Meinungen. Einigkeit allerdings herrscht darin, daß alles letztlich nicht so schlimm ist und noch im künstlichsten Antlitz Züge des Allgemeinmenschlichen zu entdecken sind. Sogar die beiden Schafe, die in Christina Comtesses Performance „Hello Dolly“ einen Statistenpart übernehmen, helfen, den Glauben an die Zukunft des Individuums zu stärken, sehen sie zwar gleichermaßig zottig, ansonsten aber völlig verschieden aus.

„Maschinenmenschen/ Wunschmaschine“ – etwa 50 Kurzinszenierungen, Performances, Installationen und andere Beiträge sind seit Donnerstag und noch heute abend im Prater zu sehen, lustige Erforschungen des Kunsthaften in Geschichte und Zukunft, mal kleinteilig, dann wieder recht abstrakt gefaßt. An 26 Plätzen auf dem Gelände wird gespielt, dazwischen stehen Bierbänke, Getränkebuden und ein Nostalgie-Karussell, dessen Tiere – Mars attacks! – nicht den eigenen, sondern den Kopf von Helmut Kohl tragen.

Letzterer übrigens kommt ansonsten glimpflich davon. Nach dem Kanzlerpuppenmassaker im vergangenen Jahr dirigiert Christoph Schlingensief diesmal gewohnt engagiert die Kanzlerpuppenvermählung – eine utopiehaltige Handlung im Geiste diverser Anverwandlungen: Ein Ex-DDR- Stuntman (Bernhard Schütz) crasht mit dem Trabbi in einen Stahlschrank, findet dort sein Über-Ich in Figur von Helmut Kohl, entdeckt alsbald die Charlotte von Mahlsdorf alias IM „Park“ in sich, erst fließt Blut, dann Rotkäppchensekt, und dem Familienfoto steht nichts mehr im Wege.

Auch andere Beiträge befassen sich mit „Über-Ich“ und „Es“ als verschiedenen Ebenen des Raumschiffs Mensch, und Peter Kroher dringt vom analogen zum konkreten Denken vor, wenn er in seinem Text zur Performance „Was läuft denn da?“ Mensch und Maschinen umstandslos gleichsetzt. Was wiederum zum Eros des Künstlichen führt, dem Christian von Treskow mit einem Jarry-Text oder Lydia Bunk mit Fellinis „Casanova“ und Müllers „Quartett“ nachspüren.

So paßt vieles zu vielem, und selbst die Inszenierungen, die man am Ende nicht gefunden oder leider verpaßt hat, fügen sich – repräsentiert durch Titel wie „Die Fickmaschine“ oder „Von der Amöbe bis zum Schukostecker“ – in eine Zukunftsvision, in der es trotz aller Funktionalität und Variabilität des Menschlichen immer wieder Momente geben wird, in denen einer wie in Castorfs „Manifest/Maschine“ ruft: „Und jetzt Lagerfeuer!“ Petra Kohse

Noch heute ab 20 Uhr, Prater, Kastanienallee, Prenzlauer Berg