Die besseren Dauercamper

■ Ein bißchen zu parteiisch: Eine Dokumentation über bedrohte „Wagendörfer in Berlin“, (So., 0.10 Uhr, RTL)

Schönbohm ist ein böser Mensch. Das sieht man einfach: Wann immer der Berliner Innensenator zu Wort kommt in Manuel Zimmers Kanal 4-Dokumentation, erscheint sein dämonisch-unglaubwürdiges Hardliner-Gesicht im unbarmherzigen Close-up so ernst, so zorngerötet und bildschirmfüllend wie ein großer Big Brother.

Ganz anders die Wagendörfler: Zimmer zeigt sie in gefälligen (Halb-)Totalen als friedliches Häuflein toleranter Eigenbrötler, die sich und andere mit Kleinkunst, multikultureller Parabelpoesie und solarbetriebenem TV- Gerät vergnügen und ansonsten nur in Ruhe gelassen werden wollen – aber nicht werden. Schließlich will unsere Hauptstadt demnächst auch Metropole sein und hat daher für die innerstädtischen Bauwagensiedler ohne polizeiliche Anmeldung und Abwasser keinen Platz. Schlimmschlimm ist das, irgendwie furchtbar ungerecht und natürlich kennzeichnend für „die neue neoliberale Weltordnung“, wie eine der „Rollheimerinnen“ glaubt.

Und – wer weiß – vielleicht ist es sogar wirklich so; vielleicht taugt die Lebensform „Wagenburg“ tatsächlich als Indikator (und Exempel) für die bundesdeutsche und bundeshauptstädtische Randgruppenpolitik, für Bürokratenwahn und Wohlstandsparanoia; vielleicht taugt die „Wagenburg“ sogar als gesellschaftlicher Gegenentwurf, als praktizierte Utopie, als Subversion bürgerlichen Normalitätsdenkens.

Doch wird man während Zimmers halbstündigem Beitrag leider das Gefühl nicht los, die wohlmeinende Dokumentation sei vielleicht doch ein bißchen sehr parteiisch geraten, weswegen die televisionäre Solidarisierung mit den alternativen Dauercampern nicht recht gelingen will. Die gewohnte „Recht & Ordnung vs. Anarchie & Chaos“-Schwarzweißmalerei bloß einzutauschen gegen eine allzu suggestive Friede-Freude-Lagerfeuer-Romantik schadet der Glaubwürdigkeit jedenfalls mehr, als es der guten Sache dienen könnte.

Dabei ist Lage ziemlich ernst, sind die Mißverständnisse weitverbreitet. „Wir sind nicht obdachlos!“ wird eine Wagendörflerin nicht müde zu betonen. Und sie fügt hinzu: „...noch nicht!“ Christoph Schultheis