■ Ökolumne
: Wildlife oder der Mensch? Von Claudia Karstedt

„Ein Nationalpark muß eine unberührte Wildnis bewahren, um effektiv zu sein. Niemand, auch keine Eingeborenen, sollte innerhalb dieser Grenzen leben.“ So sagte die Galionsfigur für den Tierschutz, Bernhard Grzimek, 1960. Diese Sichtweise wirkt auch heute noch nach. In Tansania mußten 1988 für ein privates Wildreservat 8.000 nomadisierende Massai mit 75.000 Stück Vieh weichen. Genauso wurden sie früher aus der Serengeti (darf nicht sterben!) vertrieben. In ihr Land am Ngorongoro-Krater dürfen heute nur Touristenbusse, Massai müssen draußen bleiben. Sie posieren vor den Zäunen als Fotoobjekte für die Safarireisenden. Gleiches widerfuhr noch im letzten Jahr den Khwe-Buschmännern, die im Namen von Naturschutz und Tourismus ihr Gebiet in der Kalahari zu räumen hatten.

Tier- und Naturschutz contra Daseinsrecht für Menschen? Auf der CITES-Konferenz, der UN-Konvention über den internationalen Handel mit gefährdeten Tierarten, wird ab Montag auch über die Ambivalenz der Nationalparks beraten. In Simbabwes Hauptstadt Harare geht es erneut darum, inwieweit die Menschen des Südens selbstbestimmt ihre Ressourcen nutzen können. Die Forderung einiger Länder Afrikas, wieder grenzüberschreitend mit Elfenbein handeln zu dürfen, ist das Symbol dieses Streits. Doch Tier- und Naturschutz sind internationalen Regeln unterworfen, und der lokalen Bevölkerung ist es nur begrenzt gestattet, über ihre natürlichen Reichtümer zu verfügen.

Verärgerte Wirtschaftsförderer aus Simbabwe schimpfen, CITES sei von fundamentalistischen US- Tierschutzgruppen unterlaufen. „Es ist nicht fair von den Ländern, deren einzige Elefanten in Zoos sind, uns vorzuschreiben, wie wir unser Wildlife zu organisieren haben“, sagt Tawona Tawenga von CAMPFIRE, dem Communal Areas Management Programme for Indigenous Resources. 65 bis 85 Prozent der CAMPFIRE- Einnahmen, die offiziell an die Dörfer gehen, stammen aus der Trophäenjagd durch Hobbyjäger. Die US- Tierschutzorganisation Animal Fund will diese Jagd nun verhindern, weil sie besonders unter Elefanten die genetische Vielfalt bedroht. Abgeschossen werden vor allem die Bullen mit den längsten Stoßzähnen.

Ein alter Konflikt zwischen Romantikern und Utilitaristen, der schon Mitte des 19. Jahrhunderts schwelte. Während die Romantiker von unberührten Wildparadiesen schwärmten, attackierten die Utilitaristen, allen voran der Nationalökonom John Stuart Mill, diese verklärte Sichtweise. Die Nützlichkeitsdenker verwiesen darauf, daß diese angeblich unberührten Landschaften die Heimat indigener Völker seien, die ein Recht hätten, sich von ihrer Natur zu ernähren. Die Nachfahren der Vertreter der unterschiedlichen Standpunkte streiten sich noch heute. Die Wildnis ist wertvoll. Umweltökonomen berechneten den touristischen Geldwert von Großwild, Hauptattraktion in Nationalparks. Demnach ist ein Löwe 27.000 Dollar und ein Elefant 60.000 Dollar pro Jahr wert. Doch in Kenia etwa versickern fast alle der jährlichen 400 Millionen Safari- Dollars. Nur drei Prozent erhält die Parkverwaltung, die Bevölkerung geht leer aus.

Nur wenn sich mit dem Wildlife der Lebensunterhalt verdienen läßt, sind arme Menschen motiviert, sie zu erhalten – Voraussetzung für eine nachhaltige Nutzung. Sozial, wirtschaftlich und ökologisch. Andernfalls drohen Wilderei und Abholzung. Solange die Vermarktung toter Tiere mehr bringt als die lebendiger, bleibt der Tierschutz in Gefahr. Zumal er für den Süden kaum finanzierbar ist. Viele Naturschutzprojekte werden inzwischen gemeinsam mit der heimischen Bevölkerung nach deren Vorstellungen von Landmanagement organisiert. Denn was lokal nicht funktioniert, funktioniert überhaupt nicht.

Erst spürbare materielle Verbesserungen führen dazu, daß ausländisches Know-how angenommen, Natur- und Tierschutz akzeptiert werden. Nur wenn eine intakte Natur für den Süden zugleich auch intakte Lebensräume für Menschen bedeutet, haben Schutzgebiete eine Überlebenschance. Will der Norden, daß der Süden seine Wildparks behält und sie dem Planeten zur Verfügung stellt, wird er dafür zahlen müssen.