Bundesrat gegen Kriegsverbrecher

■ Nazikriegsverbrecher sollen keine Versorgungsrente bekommen. Bayerische Staatsanwaltschaft rollt SS-Fall auf

Berlin (taz) – Kriegsverbrecher sollen nach dem Willen des Bundesrats künftig keine Versorgungsrenten mehr bekommen. Die Länderkammer sprach sich gestern in Bonn dafür aus, das Bundesversorgungsgesetz zu ändern. Nach der Rechtslage werden „Opferrenten“ gewährt, wenn der Betreffende einen „Kriegsschaden“ erlitten hat. Die mögliche Schuld als Kriegsverbrecher spielt keine Rolle, es sei denn, der Antragsteller lebt im Ausland. Dann können die Landesversorgungsämter die Zahlung verweigern. Der Bundesrat will mit seinem Gesetzentwurf, der zur Stellungnahme an Bundesregierung und Bundestag ging, durchsetzen, daß die Einschränkung für Kriegsverbrecher auch in Deutschland gilt.

Auf öffentlichen Druck hin hat unterdessen die Staatsanwaltschaft München II den Fall eines in der Bundesrepublik lebenden SS- Mannes wiederaufgenommen. Sören Kam (75), ehemaliger SS-Untersturmführer und einer der meistgesuchten Kriegsverbrecher in Dänemark, verbringt seinen Lebensabend im bayerischen Kempten. Und das, obwohl er schon 1969 gegenüber den Justizbehörden zugegeben hat, im August 1943 Schüsse auf einen dänischen Journalisten abgegeben zu haben.

Das Verfahren wurde 1971 eingestellt, doch jetzt legte das NDR- Politikmagazin „Panorama“ neue Beweise vor. Die Staatsanwaltschaft München II bereitete daraufhin ein Rechtshilfeersuchen an die dänische Justiz vor, um an den Obduktionsbericht des ermordeten Journalisten Clemmensen zu gelangen. 1967 hatten die dänischen Behörden eine Liste in die Bundesrepublik geschickt, darauf die Namen von 32 möglichen Kriegsverbrechern. Unter ihnen Sören Kam. Daraufhin wurde die bayerische Staatsanwaltschaft aktiv. Wie der Sprecher des bayerischen Justizministerium, Gerhard Zierl, schildert, hatte Sören Kam zusammen mit einem Soldaten und seinem Untergebenen, einem gewissen Knud Helweg-Larsen, am 30. August 1943 den dänischen Journalisten Carl Henrik Clemmensen abgeholt. Aus der angeblich geplanten Prügelbestrafung wurde Mord. Larsen gestand, nannte Kam als Mittäter, wurde in Dänemark zum Tode verurteilt und hingerichtet. Kam dagegen setzte sich nach Deutschland ab, ist inzwischen deutscher Staatsangehöriger. Als die Staatsanwaltschaft seinen Fall nach der dänischen Liste untersuchte, gab er zu Protokoll, „einige Schüsse“ auf den angeblich bereits toten Clemmensen abgegeben zu haben. In einem Zitat aus dem Obduktionsbericht, den „Panorama“ aus einem dänischen Gerichtsurteil zitiert, heißt es jedoch: „Alle Schüsse wurden so gut wie gleichzeitig abgefeuert, während sich der Verstorbene in aufrechter Stellung befand.“ Der Obduktionsbericht wurde von der Staatsanwaltschaft nie angefordert. Erst jetzt, 54 Jahre danach, holt das die Untersuchung nach. Barbara Junge