Keine Abschiebungen in Serbenrepublik

■ Innenministerkonferenz beschließt, daß Flüchtlinge, deren Heimatorte in der heutigen Republik Srpska liegen, vorerst in Deutschland bleiben können. Scientology soll vom Verfassungsschutz observiert we

Bonn (taz) – Überraschend haben die Innenminister von Bund und Ländern bei ihrer zweitägigen Tagung beschlossen, die etwa 150.000 bosnischen und kroatischen Flüchtlinge, deren Heimatorte im serbisch besetzten Bosnien (Republik Srpska) liegen, zunächst nicht abzuschieben. Weniger überraschend war ihre zweite Entscheidung. Erwartungsgemäß einigten sie sich darauf, daß die Scientology-Organisation künftig bundesweit vom Verfassungsschutz observiert werden soll.

Die Innenministerkonferenz stellte fest, daß die Rückführung der aus Srpska stammenden Flüchtlinge „besondere Sensibilität“ erfordere. Abschiebungen dieser Personen sollen daher „im Grundsatz als nachrangig anzusehen“ sein. Es bleibe aber bei „Abschiebemöglichkeiten“ für Straftäter, unabhängig davon, aus welchen Landesteilen sie stammten. Die Minister reagierten damit auf die Einschätzung des Auswärtigen Amts sowie von internationalen Hilfsorganisationen, wonach Abschiebungen in den serbischen Ladesteil lebensgefährlich seien. Zudem hatten sich Politiker aus allen Parteien, so etwa Heiner Geißler und Christian Schwarz-Schilling (beide CDU), Freimut Duve (SPD) sowie Hans Koschnick (FDP) in einem offenen Brief für einen Abschiebestopp ausgesprochen. Die Innenminister betonten allerdings, daß keine Kurskorrektur notwendig sei, weil schon die bisherige Beschlußlage ein differenziertes Vorgehen in der Flüchtlingsfrage ermögliche.

Die Fraktionssprecherin der Grünen, Kerstin Müller, bezeichnete diese Aussage als falsch. Ihr seien bis heute viele Fälle bekannt, in denen die Behörden Abschiebungen anordneten. Grundsätzlich begrüße sie die Entscheidung der Innenministerkonferenz, obwohl es sich lediglich um eine Absichtserklärung und nicht um einen formalen Abschiebestopp handele. Jetzt komme es darauf an, die Ausländerbehörden anzuweisen, tatsächlich niemanden mehr abzuschieben. Von den ursprünglich 320.000 bosnischen Flüchtlingen sind in den vergangenen 18 Monaten nach Bonner Schätzungen gut 30.000, nach UN-Angaben 50.000 Menschen zurückgekehrt.

Bezüglich Scientology erklärte die Ministerrunde, es lägen Anhaltspunkte für Bestrebungen der Organisation gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor. Bundesinnenminister Manfred Kanther hatte bisher als Gegner einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz gegolten. Diesen Eindruck versuchte er gestern zu zerstreuen. Er habe immer gesagt, die Erkenntnisse auf der Innenministerkonferenz abwarten zu wollen. Kanther begründete seine neue bzw. alte Einschätzung damit, sie habe sich aus „vielen Zitaten verdichtet“. Nennen konnte er jedoch keins. Auch die Landesinnenminister aus Bayern, Günter Beckstein, Thüringen, Armin Jäger, und Niedersachsen, Gerhard Glogowski, taten sich schwer damit, konkrete Anhaltspunkte für „geistige Anschläge auf die Verfassung“ (Kanther) anzuführen. Beckstein sagte, Scientology gehe „nicht in Richtung auf tolerante Erziehung, ordne Menschen in ein „Freund-Feind-Schema ein, bespitzele Aussteiger und nehme Einfluß in der Wirtschaft“. „Wie die Deutsche Bank“, konterte daraufhin ein Journalist. Markus Franz

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