Ein Europa der Bürger

■ Bündnis 90/Die Grünen fordern Grundrechtscharta in EU-Vertrag

Bonn (taz) – Eine deutliche Stärkung und ein erheblich erweitertes Mitentscheidungsrecht des Europaparlaments sowie die Einfügung einer Grundrechtscharta in den EU-Vertrag haben gestern die Bündnisgrünen in Bonn gefordert. Ihr europapolitischer Sprecher Christian Sterzing meldete auf einer Pressekonferenz schwere Bedenken hinsichtlich der Entwicklung der Europäischen Union und des Standes der Verhandlungen für die bevorstehende Regierungskonferenz in Amsterdam an.

„Die Bundesregierung strebt ein Europa der Regierungen an und nicht ein Europa der Bürger“, sagte Sterzing. Sie versuche nicht, dem „allseits beklagten Demokratiedefizit“ durch Initiativen entgegenzuwirken. Die Aussichten für die notwendige Stärkung des Europäischen Parlaments seien gering. Der Anspruch, die Effizienz der Europäischen Union zu erhöhen, gehe „auf Kosten der demokratischen Kontrolle“.

Sterzing sieht grundsätzliche Unterschiede zwischen den europapolitischen Zielen der Regierungskoalition und denen seiner eigenen Partei: „Die Bundesregierung setzt auf Polizei und Militär in Europa, während wir auf Umwelt und Beschäftigung setzen.“ Deutlich werde dies an Plänen wie dem Ausbau von Europol und der schrittweisen Integration der WEU in die Union.

Im Bereich der Beschäftigungspolitik versucht Bonn nach Ansicht der Grünen die „neoliberale Politik“ für ganz Europa festzuklopfen. Gegen „eine ganz große Mehrheit“ bemühe sich die Bundesregierung, das Beschäftigungskapitel so unverbindlich wie möglich zu gestalten.

Die Grünen kritisieren, daß die deutsche Bundesregierung anders als die Regierungen anderer europäischer Länder ihre Verhandlungsziele nicht offengelegt habe. „Wir konnten im Verlauf der letzten eineinhalb Jahre keine stringente Verhandlungsstrategie der Bundesregierung erkennen“, erklärte Christian Sterzing. Bettina Gaus