Alle Macht in einer Hand

■ Algeriens Staatspräsident hat die Wahlen gewonnen

Es kam, wie es nicht anders kommen konnte: Die auf den Präsidenten Liamine Zéroual wie maßgeschneiderte Nationaldemokratische Versammlung (RND) ist stärkste Partei im Parlament, eine Koalition mit der ehemaligen Einheitspartei FLN reicht aus, um der zukünftigen Regierung eine breite Mehrheit zu verschaffen. Die Islamisten von der Bewegung der Gesellschaft für den Frieden (MSP) und Ennahda haben weniger Stimmen errungen als 1991 die verbotene Islamische Heilsfront (FIS) oder MSP-Chef Mahfoudh Nahnah bei den Präsidentschaftswahlen 1995.

Ein Ergebnis, scheinbar wie vom Reißbrett für ein Parlament, das die dunkle Etappe des Landes beenden und es in eine bessere Zukunft ohne Gewalt führen soll. Das erste Mehrparteienparlament seit der Unabhängigkeit des Landes, ein „frei gewähltes“ Parlament.

Ein Wort, das nur schwer über die Lippen kommen will angesichts von Putsch und Wahlabbruch 1991, dem Verbot der siegreichen Islamischen Heilsfront (FIS), über 100.000 Toten, einer Verfassung, die den Volksvertretern nur einen engen Spielraum läßt, und angesichts unzähliger Unregelmäßigkeiten beim Urnengang am vergangenen Donnerstag. Das sind nur einige der Schatten, die von vornherein auf dieses Parlament fallen.

Während Zéroual, und mit ihm die wichtigsten westlichen Länder, den Weg Algeriens zur Demokratie feiert, genügt ein Blick auf die Straßen des Landes, um zu begreifen, daß die Bevölkerung ihren Glauben an das System längst aufgegeben hat, in tiefe Apathie versunken ist. Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Armut und vor allem die katastrophale Sicherheitslage sind für die Menschen die dringlichsten Probleme. Lösungen bietet niemand. Viele, die 1995 bei den Präsidentschaftswahlen noch zur hohen Wahlbeteiligung und zum Sieg von Liamine Zéroual beigetragen haben, sind dieses Mal zu Hause geblieben, denn sie haben den Glauben in die Versprechungen des Ex-Generals verloren. Dem ist das egal. Er ist am Ziel seiner Arbeit. Präsidialamt, Armee und seit gestern auch das Parlament – alle Macht liegt in den gleichen Händen.

Was 1991 scheiterte, ist jetzt geglückt: Die Konservierung der Herrschaftsstrukturen des Einparteiensystems unter einem demokratischem Deckmäntelchen. Reiner Wandler