„Beim Malen denke ich nicht an Fußball“

■ Vom HSV-Spielfeld in die Gemälde-Galerie: Ex-Torwart Rudi Kargus im taz-Interview

Rudi Kargus (44) spielte von 1971 bis 1980 als Bundesligatorwart beim Hamburger SV, der mit ihm Meister, Pokalsieger und Europacupsieger wurde. Nach seiner Zeit als Spieler wirkte Kargus seit 1991 als Jugendtrainer beim HSV –bis ihn die neue Führungsriege um Uwe Seeler 1996 zusammen mit anderen Trainern der Amateur- und Profiabteilung in einer Nacht- und Nebelaktion entließ.

Kargus malt seit ungefähr anderthalb Jahren „systematisch“, wie er sagt: Aquarelle und mit Acrylfarben, deren Vielfältigkeit er besonders schätzt. Einer bestimmten Stilrichtung möchte er seine Bilder nicht zuordnen. Seine erste Ausstellung in der „Galerie Leineweber“, Johnsallee 34, ist von montags bis samtags von 10 bis 16 Uhr geöffnet und läuft bis zum 27. Juni.

taz: Wie kommt ein ehemaliger Bundesligatorwart zur Malerei?

Kargus: Ich habe einschließlich meiner Tätigkeit im Jugendbereich 25 Jahre lang Fußball gespielt. Das finde ich an sich schon sehr lange. Und als Bundesligaspieler bleibt keine Zeit zum Abschalten; ich war einfach neugierig auf andere Sachen. Da ich ein sehr wißbegieriger Mensch bin, habe ich bereits während meiner aktiven Zeit sehr viel gelesen, unter anderem Bücher über Philosophie. Unsystematisch gekritzelt habe ich schon früher. Ich fühle die Malerei in mir.

Beim Gang durch die Ausstellung fällt auf, daß dort keine Fußballmotive hängen.

Fußball ist nicht alles im Leben. Beim Malen denke ich überhaupt nicht an Fußball.

Hätten Sie nicht mal Lust, Fußball zu malen statt zu spielen? Wie wäre es mit Felix Magath unmittelbar nach dem Hanse-Marathon...

(Kargus lacht) Nein, bestimmt nicht. Es gibt Millionen anderer denkbarer Motive...

...oder mit der Angst des Torwarts beim Elfmeter?

Ich habe zwar eine kleine Sportserie gemalt – Eleganz, Lauf und Kraft – aber Fußball reizt mich überhaupt nicht als Motiv. Außerdem läßt sich das gar nicht malen, weil der Torhüter beim Elfmeter gar keine Angst zu haben braucht. An diesem zum geflügelten Wort gewordenen Titel erkennen Sie nur, wieviel Ahnung der Autor vom Fußball hatte.

Mußten Sie zu dieser Ausstellung überredet werden?

Mußte ich. Mein Freund Gerd Leineweber hat ein bißchen Druck gemacht. Ich hatte vor meiner ersten Ausstellung Lampenfieber wie vor einem wichtigen Bundesligaspiel. Mit diesen Bildern habe ich mein Inneres ein bißchen nach außen gekehrt, und dann stehen da beinahe 200 Leute und schauen sich das an.

Und wie waren die Reaktionen?

Ich selber hatte starke Bedenken, ich kann mich auch selber schwer einordnen. Die Reaktionen in der Ausstellung waren sehr positiv. Die Hälfte der Bilder ist bereits verkauft.

Sie haben in einem Interview einmal gesagt, Sie hätten lange gebraucht, um ihre Entlassung beim HSV zu verarbeiten. Könnten Sie so etwas mit der Malerei?

Kann gut sein. Der tollste Aspekt der Geschichte Malerei ist, daß ein völliges Aufgehen in ihr möglich ist. Ich kann mit ihr vollkommen abschalten und meine Kreativität spielen lassen. Das kommt mir sehr entgegen, denn wenn ich etwas mache – egal ob Fußball oder Malerei – dann möchte ich es gut und intensiv machen. Systematisch betreibe ich die Malerei auch erst seit meiner Entlassung beim HSV.

Kennen Sie Kollegen, die auch malen?

Ich glaube, der Dieter Hoeneß hat früher gemalt. Und letztens hat der Jens Lehmann selbstgemalte Bilder ins „Aktuelle Sportstudio“mitgebracht.

Warum haben Sie viele Motive der Rentnerinsel Fuerteventura gemalt? Warum nicht beispielsweise Gomera?

Fuerteventura ist wunderschön abseits der Hotelanlagen und außerdem keine Rentnerinsel. Viel zu heiß und zu karg. Und die Insel hat einen weißen Strand, Gomera einen schwarzen. Der macht mich traurig, da muß ich immer an Ruhrpott denken.

Wären Sie bei den bisherigen Preisen für Ihre Bilder (zwischen 350 und 1.200 Mark) nicht doch lieber Bundesliga-Manager geworden?

Nee, bestimmt nicht. Geld ist nicht alles.

Fragen: Uwe Wetzner