Die Widersprüche im Standbild

■ Die „Filmtage Agenda 21“wollen Bilder jenseits der Schwarz-weiß-Weltsicht zeigen

„In Farbe“oder „in Scharz-weiß“sieht man Fotos oder Filme, flimmernde oder stille Bilder. Man kann aber auch die Bilder im eigenen Kopf schwarz-weiß sehen. Dann macht sich einfach der persönliche Horizont den Kontrast zu leicht.

„Eine Welt: voller Widersprüche“– mit diesem Motto stellen sich die Filmtage Agenda 21, die von morgen bis Sonntag in Hamburg erstmalig stattfinden werden, gegen die Borniertheiten einer allein europäischen Farb- und Richterskala und bieten einen ungleich reicheren Blick auf die Welt. Das eigene Stand-Bild und die verwirrenden Bilder der anderen – mit 45 verschiedenen Spiel- und Dokumentarfilmen von vierzehn FilmemacherInnen aus sechs Ländern werden die Mechanismen eingeschliffener Sehgewohnheiten hoffentlich durcheinander geraten. Denn es ergibt sich die seltene Aussicht auf wirklich andere Geschichten.

Ein Blick, der klar ein politischer ist, denn die Idee zum Filmfestival steht im Kontext der 1992 in Rio de Janeiro verfaßten Agenda 21, des von der UNO verabschiedeten Aktionsprogramms für das 21. Jahrhundert, und der diesen Monat in New York stattfindenden „Agenda 21-Sondergeneralversammlung“. Für die „Eine-Welt-Filmtage“geht es mit ihrem Programm zwischen den großen Daten und Orten der Weltpolitik um die Frage nach einem „kommunalen Agenda-Prozeß“. Hat sich, fünf Jahre nach dem „Umweltgipfel“in Rio, überhaupt schon etwas getan, abgesehen von den selbstbezogenen Perspektiven der „Standortsicherung“? Wie weit ist Hamburg von Rio entfernt? Wie kurzgegriffen sind die europäischen Selbstbespiegelungen? Vor dem Hintergrund der eigenen Defizite sei die Idee der Filmtage entstanden, so Robert Schreiber von der „Arbeitsgemeinschaft für entwicklungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit“, die für das Festival mit dem „Eine Welt Netzwerk Hamburg“kooperiert hat.

Die Veranstaltung ist, wie das Verstehen selbst, eine dezentrale Angelegenheit: Filme, Gespräche mit den FilmemacherInnen und Schulvorführungen finden an 18 verschiedene Orten, in Kinos oder in Museen statt. Dabei gibt es Themenabende zu Rassismus (z. B. Blue Eyed von Bertram Verhaag), zu Kinderarbeit (z. B. Recht auf Arbeit? und Straßenproletariat von Gordian Troeller), Umweltzerstörung und Tourismus. Die Widersprüche der „Einen Welt“reichen bis in karitative Altkleidersammlungen (Oburoni Wawu – Die Kleider der toten Weißen von Boris Terpinc und Franziska Strobusch) und die Blumensträuße geschmückter Wohnzimmerlandschaften (z. B. Blumenfrauen von Jorge Silva und Martha Rodriguez).

Und sie reichen nicht zuletzt hinein in die Filmtage selbst: Neben der aufgeschlossenen und neugierigen Weltsicht findet auch ein gewisses Maß an pädagogischem Eros statt. Darüber aber wird hinwegzusehen sein: Denn immerhin ist es den Filmtagen Agenda 21 zu verdanken, daß zum Beispiel Ousmane Sembène, der als „Gründer des afrikanischen Kinos“gilt, nach Hamburg kommt, daß Filme wie sein Guelwaar, Po di Sangui – Blutbaum von Flora Gomes oder Ta dona von Adama Drabo hierzulande einmal zu sehen sind.

Elisabeth Wagner

Dienstag: Eröffnungsfilm „Guelwaar“, 19.15 Uh, Zeise, Gast: Ousmane Sembène