Jupiter gibt sich jovial, Venus lieblich

Im überfüllten Saal des Zeiss-Planetariums in der Prenzlauer Allee erklärte Hans Cousto, der „Timothy Leary von der Spree“, die Harmonie der Sphären und wie Planeten und Moleküle tönen  ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Komischer Abend: Sympathische Leute, irgendwo von den hippiesken Rändern der Technoszene, sitzen im Resttageslicht des Freitags auf den Stufen vor dem Zeiss-Großplanetarium in der Prenzlauer Allee herum und kiffen in Grüppchen, um sich auf den „offenen Abend mit Hans Cousto“ und seinen psychedelischen Musikerfreunden einzustimmen. An der „Spacebar“ im Foyer drängen sich Massen und ordern Naturdrogendrinks, die „relaxend“, „aphrodisierend“ bzw. „slightly trippy“ wirken sollen. Merkt man nicht doll was von. Am Stand des Technokulturförderungsvereins „eve& rave“ steht Hans Cousto und erzählt begeistert von neuen Siegen an der Drogenfront. Während man in Berlin mit Hausdurchsuchungen und Anzeigen auf die Pillentests reagierte, die „eve&rave“ seit mehr als zwei Jahren durchführt und deren Ergebnisse im Internet oder im Herrenklo des Technoclubs „subground“ zu lesen sind, kamen zwei staatliche Rechtsgutachten aus der Schweiz gerade zu dem Schluß, daß derlei Tests ein „sinnvolles Mittel der Schadensminderung“ (Neue Zürcher Zeitung) für die Konsumenten darstellen.

Cousto nennt man auch den „Timothy Leary von der Spree“. Der Musikwissenschaftler ist mittlerweile fünfzig und veröffentlicht fleißig esoterisch angehauchte Bücher über „kosmische Oktaven“ und Drogen. „Eine Hardtranceparty ohne Ecstasy ist für mich wie ein Chateubriand ohne Burgunderwein, eine Goaparty ohne LSD wie eine Weißwurst ohne Bier und ein Ambient-Chill-out ohne Haschisch wie ein Frühstück ohne Kaffee“, meint der stets lächelnde gebürtige Schweizer, für den Techno nicht nur ein Wort ist.

Nach fast einer Stunde Verspätung begann er in dem mit mit ungefähr dreihundert Menschen überfüllten Saal über „die Harmonie der Sphären“ und „den Klang der Moleküle“ zu sprechen. „Da wir uns mit kosmischen Fragen beschäftigen, spielt Zeit ja keine Rolle.“

Klang alles ein bißchen pastoral und harmonieversessen, wenn er die romantische Einheit von Makro- und Mikrokosmos beschwor und mittels komplizierter Berechnungen sowohl den verschiedenen Planeten als auch den Molekülen des Ecstasywirkstoffs MDMA diverse Töne zuordnete. Denn alles schwingt bekanntlich. Die Elektronikmusiker „Orbital Dolphins“, „Cyber Snack“ und „Sci Rom“, die hippiemäßig zwischen gelben Blumen saßen, begleiteten die Ausführungen Coustos mit praktischen Beispielen. „Jetzt wollen wir uns auf den Sound des Saturns einlassen.“ Der Saturn, „der kosmische Kontrolleur“, klingt ein bißchen langweilig. Überhaupt hören sich die meisten Planeten an wie billige Kitschtrance-Programmmusik. Der Jupiter gibt sich jovial, die Venus lieblich, der Erdton erdverbunden und entspricht dem indischen „Om“, so Cousto. „Mit diesem Ton kann man sich wieder gut draufbringen, wenn man von diesem oder jenem zuviel genommen hat.“

MDMA, der bekannteste Ecstasywirkstoff, den man in Ecstasypillen oft vergebens sucht, hat den besten Sound. Ganz prima und schön, meditativ und auch tanzbar. Die fast einstündige Ecstasyvertonung wurde von diversen Sternenhimmeln, die im Planetarium ja immer schicker sind als draußen, begleitet. Nur die Light-Show machte ein bißchen zuviel Faxen.

Cousto bemängelte noch, daß sich die christlichen Feiertage nicht mehr an den kosmischen Regeln orientieren. Desgleichen: der Mensch; schwer zivilisationsbeschädigt, sollte er sich mehr auf die Natur einstimmen, „dann geht alles viel easier“. Ab und an lachte jemand – wie in der Kirche so üblich.

Drogen sind komisch; die Wirklichkeit ist es auch. Wenn in Berlin jemand lächelt, denkt man oft: Das ist ja unnormal, der hat sicher Drogen genommen.