■ Die vieldeutigen Regeln der Körpersprache
: Keine Sackratten – Beleidigung!

Er hat's schon wieder getan! Kaum hat Michael Jackson seine Deutschlandtournee begonnen, da packt er sich auch schon wieder – vor x-tausend Zuschauern! – zwischen die Beine und krault sein Gemächt. Was hat er bloß; warum tut er das? Sackratten, Filzläuse, oder will er sich einfach nur vergewissern, daß alles am richtigen Platz hängt? Wir wissen es nicht – aber Desmond Morris weiß es!

In seinem amüsanten Buch „Bodytalk“ (soeben als Taschenbuch erschienen) hat der berühmte Verhaltensforscher die Körpersprache, Gebärden und Gesten genau untersucht und analysiert und endlich herrscht Klarheit. Jacko hat nämlich gar kein Problem, Jacko ist einfach nur ein Schwein!

Unter der Überschrift „Sich am Hosenschritt kratzen“ lesen wir bei Desmond Morris folgendes:

Bedeutung: Sexuelle Beleidigung. Ausführung: Die Hand faßt an die Hose und kratzt ganz offenkundig die männlichen Genitalien. Erklärung: Diese männliche Geste wird als grobe Beleidigung benutzt, wobei normalerweise eine beträchtliche Distanz zum Opfer eingehalten wird. Auf diese Weise rächen sich beispielsweise Stierkämpfer bei ihrem unzufriedenen Publikum dafür, daß sie ausgebuht wurden. In den Südstaaten der USA wurden Polizisten photographiert, die Demonstranten aus dem Norden mit dieser Geste bedachten. Die Gebärde hat zwei beleidigende Elemente. Zum einen drückt der Gestikulierende aus: „Du bist Abschaum, und ich habe keinerlei Hemmungen, einen intimen Akt wie das Kratzen meiner Genitalien vor deinen Augen auszuführen.“ Das zweite Element ist die bekannte phallische Beleidigung „Ich fick dich!“, wobei die Kratzbewegung die Aufmerksamkeit auf den entsprechenden Körperteil des Gestikulierenden lenken soll. Verbreitung: Mittelamerika, besonders Mexiko, aber auch in den Südstaaten der USA.

Na, das paßt doch. Ich meine die Ausführung stimmt, die Verbreitung auch, und die Erklärung klingt logisch. Also stimmt auch die Bedeutung: Sexuelle Beleidigung! Punktum!

Da lassen sich also die Massen von diesem Bengel, diesem selbsternannten „King of Pop“ andauernd aufs gröbste kränken und applaudieren auch noch dazu. Schlimmer noch. In Bremen (jaja, wir haben es genau gesehen) haben selbst Jacksons Backgroundsänger die gleiche obszöne Geste gemacht. Gut, gut, Kunst darf bekanntlich alles, sagen Sie, aber irgendwo hört der Spaß ja wohl auf.

Und das ist noch nicht alles. In „Bodytalk“ gibt es Dutzende von wirklich wertvollen, ja sogar lebensrettenden Tips. Oder wußten Sie, daß das Tramperzeichen (der aufgerichtete Daumen macht bogenförmige Bewegungen in die gewünschte Richtung“) in manchen Teilen der Welt (wie Sardinien, Griechenland, der Türkei und Teilen des Nahen Ostens, Afrikas und Australiens“) ebenfalls „eine schwere sexuelle Beleidigung“ ist? Aber ja, „hier symbolisiert der Daumen einen erigierten Penis“, und das mögen die Autofahrer in der Wüste gar nicht, weshalb es leicht zu „Mißverständnissen zwischen ausländischen Touristen und der einheimischen Bevölkerung kommt“.

Also, in besagten Ländern lieber mit der flachen Hand winken. Niemals aber in Lateinamerika, denn dort bedeutet das eine „sexuelle Beleidigung“. „Huevon“ heißt die Geste, was soviel bedeutet wie: „Deine Eier sind so schwer, weil du keine Frau findest, die mit dir schlafen will.“ Hier also lieber den Daumen benutzen; aber Obacht: Es könnten ja auch irgendwelche Afrikaner oder Australier unterwegs sein. Karl Wegmann

Desmond Morris: „Bodytalk“, Heyne-Sachbuch, 240 Seiten, 19,90 DM