■ Nebensachen aus Johannesburg
: Früher war alles besser oder: Winter in Afrika

Früher, so klagen viele (weiße) Südafrikaner immer lauter, war alles besser. Das Leben war geordnet, jeder hatte Rechte und Pflichten. Nun ja, manche hatten etwas mehr Rechte. Aber das hatte doch für alle Vorteile. Arbeitslosigkeit war (für Weiße) ein Fremdwort, ein Schwimmbecken gehörte zur Grundausstattung jedes (weißen) Durchschnittshaushalts. Heute ist alles anders. Das fängt damit an, daß die Luxusgrundstücke in Parkgröße plötzlich so hoch besteuert werden wie in anderen Teilen der Welt auch (für Weiße). Und endet beim Wetter (nicht nur für Weiße).

Früher war das Wetter besser. Oder wie sonst soll man erklären, daß seit zwei Jahren in der hiesigen Regenzeit von Oktober bis März Regenfälle niedergehen, die Sintfluten gleichen. Früher gab es im Sommer einmal am Nachmittag ein kräftiges tropisches Gewitter, und dann war alles vorbei. Jetzt regnet es wochenlang, und der Himmel macht dem europäischen November Konkurrenz. Das nennt sich Sommer.

Aber wenigstens sind die Winter wunderschön und mild, versprach eine gute Freundin. Immer scheint die Sonne, und er dauert höchstens drei Monate. Sie muß frühere Zeiten gemeint haben. Seit Tagen werden aus allen Teilen Südafrikas Schneefälle gemeldet. Das gab es seit 20 Jahren nicht mehr. Die Verkehrsmeldungen ähneln denen eines deutschen Winters: Verkehrsbehinderungen durch glatte Fahrbahnen, Bergstraßen und Pässe gesperrt. Bitte passen Sie Ihr Fahrverhalten den Bedigungen an.

Eine Aufforderung, die an jedem südafrikanischen Autofahrer abperlt wie Wasser an Fett. Schon bei gutem Wetter gelten Tugenden wie Abstand zu halten oder nicht auf der falschen Seite zu überholen als unsportlich. 40 Prozent derer, die sich über die Straßen bewegen, haben sowieso keinen Führerschein. Bei Schnee wird der Verkehr vollends zum Chaos. Früher war das alles nicht so. Da hat es nicht so oft geschneit, und es gab viel weniger Autos. Schließlich konnte sich nicht jeder eins leisten.

Früher wurde auch weniger geheizt. Sagt der Besitzer des Eisenwarenladens um die Ecke. Dort kann man alles kaufen, was man so braucht, um im Alltag zu überleben: Schrauben, Farbe, Chlor für das Schwimmbecken und allerlei Gartengerät. Nur leider kein Propangas in Flaschen, um die eisigen Zimmer wenigstens auf bescheidene 13 Grad hochzuheizen. Aber Gas gibt es nicht. 40 Flaschen hat der Mann am Vortag verkauft. So etwas hat er noch nie erlebt. Ich auch nicht. Heizungen gibt es in Südafrika nicht, weil der Winter so mild ist, und die Fenster sind nur einfach verglast.

Nie hätte ich mir träumen lassen, von einer geradezu peinigenden Sehnsucht nach meinem Berliner Kachelofen geplagt zu werden. Morgens, beim Aufwachen, kondensiert der Atem. Nicht draußen, da auch, nein, drin, im Bett! Überleben am Schreibtisch ist nur mit Skiunterwäsche und Handschuhen gewährleistet. Vor allem um ersteres beneidet mich hier jeder. Weil ich so gut ausgerüstet bin, habe ich mich von einem anderen Freund breitschlagen lassen, doch einmal Skifahren zu gehen, im einzig schneesicheren Skigebiet Afrikas. Wir fahren im August. Kordula Doerfler