Warnung vor spontaner Rückkehr

■ Ombudspersonen aus Bosnien kritisieren die Innenministerkonferenz zu Flüchtlingen als halbherzig

Die Kritik kam prompt: Branka Raguz sprach von „Verschleierung“, für Vera Jovanović waren die Beschlüsse der Innenministerkonferenz zur Rückführung der bosnischen Flüchtlinge am vergangenen Freitag einfach nur „leere Worte“. Einzig der muslimische Ombudsmann Esad Muhibić zeigte sich ein bißchen optimistischer: „Es ist schon ein großer Schritt für diese deutschen Politiker, wenn Abschiebungen in die Republik Srpska ab jetzt nachrangig behandelt werden“ (siehe taz vom 7. Juni).

Die drei Ombudsfrauen und -männer, die in der Föderation Bosnien-Herzegowina die Einhaltung der Menschenrechte verfolgen, kritisierten am Wochenende auf einer von der Evangelischen Akademie Berlin/Brandenburg veranstalteten Tagung zur Rückkehr bosnischer Flüchtlinge nicht nur die deutsche Abschiebe- und Rückführpraxis, sondern auch die permanenten Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land. Beide Faktoren ergäben eine unheilvolle Allianz, die sich ganz besonders negativ auf die Flüchtlinge aus dem Ausland auswirke.

So sei eines der größten Probleme weiterhin der mangelnde Wohnraum, sagte Ombudsfrau Raguz. In einem Großteil der Wohnungen und Häuser der Auslandsflüchtlinge lebten jetzt Menschen, die während des Krieges innerhalb des Landes vertrieben wurden. Ein Gesetz sichere den Binnenflüchtlingen das Recht zu, weiterhin in den Wohnungen bleiben zu können, auch wenn die ehemaligen Bewohner wiederkämen. Korruption verschärfe das Problem: „Mir ist der Fall von einem Polizeibeamten in Sarajevo bekannt, der gleich drei Wohnungen für sich anmieten konnte“, berichtete Raguz. Rund 90 Prozent der Wohnungen in den Städten sind in staatlicher Hand.

Im serbischen Teil Bosnien- Herzegowinas ist die Lage wesentlich dramatischer: Dort richten sich die Diskriminierungen nicht nur gegen die wenigen verbliebenen Muslime, sondern immer stärker gegen die Serben selbst, teilte Branko Todorović von der Menschenrechtsorganisation Human Watch in Bijelnina mit. So mußte beispielsweise im vergangenen Dezember eine alleinerziehende Mutter bei 15 Grad minus ihre Wohnung für einen Mitarbeiter des Innenministeriums räumen. Ersatzlos.

Eine Rückkehr für Muslime in die Republik Srpska sei wegen der Menschenrechtsverletzungen derzeit „aussichtlos“. Es seien zwar einige Flüchtlinge nach Banja Luka zurückgekehrt und auch von der Stadtverwaltung aufgenommen, doch die sieht der Human-Watch- Mitarbeiter eher als „Alibi-Muslime“: „Sie könnten im Falle einer neuen Eskalation zu potentiellen Geiseln werden.“ Gerade deshalb sei es wichtig, Präsenz zu zeigen. Todorović bemängelte, daß es kaum deutsche Hilfsorganisationen im serbischen Teil gebe.

Marco Osolic, der in Sarajevo Rückkehrer berät, forderte die Flüchtlinge im Ausland auf, sich „politisch zu organisieren, auch gegen unsere Gesetze“ und trotz der drohenden Abschiebungen aktiv auf die Politik des Heimatlandes zu schauen: „Es bringt nichts, wie ein Kaninchen vor der Schlange zu sitzen“, versuchte Osolic die rund vierzig auf der Tagung anwesenden Flüchtlinge zu motivieren.

Und auch Joachim Pohl von der Berliner Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte, einer Art bundesweiten Stellenbörse für Flüchtlinge, versuchte, ein nicht ganz so negatives Bild zu zeichnen. So hätte er momentan 2.000 freie Stellen in petto. In Bosnien würden allein 200 Ärzte gesucht, auch für Bauarbeiter gebe es viele freie Stellen.

Insgesamt warnten alle anwesenden Vertreter von Hilfsorganisation vor einer „spontanen, privaten Rückkehr“ nach Bosnien, sondern rät Rückkehrwilligen sich an Beratungsstellen zu wenden. „Sonst ist die Landung bestenfalls unsanft“, meinte Elisabeth Pelster vom UN-Flüchtlingskomissariat UNHCR. Eine Teilnehmerin aus Bayern berichtete, daß rückkehrende Familien in Privatautos an illegalen Checkpoints ausgeraubt worden seien und ohne Hab und Gut in ihrem Dorf ankamen. Die brandenburgische Regierung werde den 1.600 bosnischen Flüchtlingen in ihren Landkreisen deshalb nicht nur eine Überbrückungshilfe von 200 Mark, sondern noch einmal die gleiche Summe für Transportkosten zuschießen, versprach die Ausländerbeauftragte Almuth Berger. Aus Brandenburg sind bisher 169 Flüchtlinge freiwillig zurückgekehrt. Julia Naumann