"Liebe taz..." - Zu "Stradivari" nur Fakten berichtet, betr.: "Aus dem Fotoalbum des Angeklagten", taz vom 5.6.1997

Betrifft: „Aus dem Fotoalbum des Angeklagten, taz vom 5.6.1997

Zu den Behauptungen von Chris Steinbrecher, die zunächst in einer redaktionellen Fassung von der taz selbst (5.6.97), dann im Original als Offener Brief (6.6.97) veröffentlicht wurden, ein sachdienlicher Hinweis: Die Radio-Bremen-Dokumentation ist ein nüchternes, gewissenhaftes Protokoll der Ermittlungsarbeit einer Mord-Kommission. Dokumentation heißt festhalten, was vorgegangen und wie es abgelaufen ist: Von der Spurensicherung über die Zeugensuche bis zum Verhör. Schritt für Schritt begleitet der Film den polizeilichen Ermittlungs-Alltag.

Zur Ausgewogenheit und Wahrheitsliebe gehört, daß Fehleinschätzungen, Irrtümer und Widersprüche ebenso protokolliert werden wie unbestrittene Fakten. An keiner Stelle behauptet oder insinuiert der Film, die „Wahrheit“zu kennen. Der Film hat auch keineswegs den Ehrgeiz, den Fall zu lösen. Sein Ehrgeiz beschränkt sich darauf zu dokumentieren, wie die Kripo den Fall zu lösen versucht. Die Information über einen VERDACHT („mit schuld zu sein am gewaltsamen Tod seiner Lehrerin“) ist eine journalistische Selbstverständlichkeit und keine Vorverurteilung.

Wer aufgrund seiner eigenen fertigen Wahrheit einen Film nicht aushalten kann, der eben nicht mit fertigen Wahrheiten dienen kann und darf, wird sich in Verdikte flüchten müssen („gewissenloser Journalismus“), die durch sein persönliches Engagement noch begreiflich erscheinen, die Radio-Bremen-Dokumentation aber nicht treffen können.

Für taz-Leser, die sich selbst ein Urteil bilden wollen: „Der Fall Stradivari“wird am 23.6.97 um 20.15 Uhr auf 3Sat wiederholt.

Michael Geyer, Chefredaktion Radio-Bremen, Fernsehen