Die Tücken der Elektrizität

■ Lotte Ohm und „Bästard“nutzten den Strom auf jede Weise

Die moderne Technik hat viele Vorteile. Wer etwa keine Band um sich scharen kann, aber wie eine klingen möchte, kann in aller Seelenruhe jedes Instrument in einen Synthesizer laden und muß es unter Umständen noch nicht mal bedienen können. Der Nachteil ist, daß der Live-Aufbau bei einem solchen Projekt oft langwieriger ist als bei einer traditionellen Band. Als Vincent Wilkie alias Lotte Ohm mit seinen beiden Musikerkollegen alias „Die Lotte Ohm Band“zum letzten Konzert seiner Tour am Sonntag im Naturfreundehaus gastierte, brauchten die Herren so lange, bis jeder Stecker an der richtigen Stelle steckte und jeder Knopf in die richtige Richtung gedreht war, daß sich schon Unmut breitmachte.

Aber das Warten lohnte sich. Das Trio hatte vorher emsig gesampelt, und zum Auftakt klangen sie wie eine richtige Rockband, obwohl nur zwei Keyboarder und ein Schlagzeuger auf der Bühne waren. Selbstverständlich wäre ein reines Rock-Imitat mit elektronischen Mitteln reichlich sinnlos, und so verarbeiteten Lotte Ohm alle Arten von Tönen und Stilen, die ihnen zwischen die Finger kamen. Neben kreischenden Feedbacks und fiependen Sequencern war Platz für eine Akustikgitarre und Ambient-Sound-Landschaften mit zwitschernden Vögeln, wozu man nach Meinung Wilkies „wunderbar infantil tanzen“könne.

Schade allerdings, daß man im Live-Sound Schwierigkeiten hatte, die deutschen Texte zu verstehen. Da gab es Stücke über Klugscheißer, Besserwisser und Diskurs-Disco, aber mehr als Wortfetzen war selten herauszuhören. Da fragte sich mancher, was es zu bedeuten hätte, daß Vincent Wilkie nach Textaussage im Fürstenmoor bzw. der Fürsten-Mohr sein wollte. Dabei lautet seine tatsächliche Aussage, er wäre gerne der „Sonic Youth“-Erfinder Thurston Moore.

Ohne Abstrich der zweite Act „Bästard“aus Frankreich. Obwohl eine korrekt besetzte Band mit klassischen Band-Instrumentarium wollten auch sie auf Elektronik nicht verzichten, was sich in Sprach-Samples, nautischen-Blubbergeräuschen und verzerrten Live-Tönen äußerte. Dazu taten sie ihren Instrumenten, neben Baß/Gitarre/Schlagzeug gehörte auch eine Steeldrum dazu, liebevoll Gewalt an. Die Ergebnisse waren infernalische Klanggewitter, die mit Tontröpfchen anfingen, sich steigerten und so plötzlich aufhörten, wie sie gekommen waren. Der Gesang dazu war oft erstaunlich fragil, was einen schönen Kontrast gab.

Einigen Rock-Fans war das dennoch zu wenig. „Die spielen immer nur dieselbe Idee“, fand einer. „Wie Pink Floyd, nur nicht so schnulzig.“Immerhin war diese Idee eine gute Idee, und sie wurde mit Andrang am Tonträgerstand belohnt.

Andreas Neuenkirchen