Killer-Künstler mit lässigem Charme

■ Der Bremerhavener Schauspielleiter Holger Schultze inszenierte Woody Allens „Bullets over Broadway“

„Ich weiß, was 'ne Hauptrolle ist, das seh' ich auf den ersten Blick. Die Hauptrolle hat alle Kußszenen.“Sie ist das Vollklischee des Superdummchens, das handliche Weibchen an der Seite ihres Herren. Der ist Mafiaboß, küßt sie ausgiebig und bringt sie mit knallhartem Druck beim Theater unter – in der Produktion, die er mäzenatisch betreut. Woody Allen schrieb diesen Plot für seinen Film „Bullets over Broadway“. Die Vorlage ist inzwischen auf deutschen Bühnen gelandet. So auch in Bremerhaven, wo der scheidende Schauspielleiter und Regisseur Holger Schultze dafür sorgt, daß daraus keine Bruchlandung wird.

Allens Gangster-Phantasie führt in das New York der Roaring twenties. Der zweitklassige Schriftsteller David Shayne (Wolfram Rupperti) will mit einer Ehedrama- und Eifersuchtsschmonzette am Broadway reüssieren. Sein Star ist Helen Sinclair (Christel Leuner), eine exzentrische Bühnenlegende und alternde Alkoholikerin. Davids Dilemma: Er kann nicht schreiben. Die Dialoge sind matt und verkrampft, und das wird hochnotpeinlich hörbar, sobald das Mafia-Liebchen Olive Neal (Alexa Steinbrenner) seine Worte in den Mund nimmt. Glücklicherweise hat ihr der Boss Nick Valenti (Jürgen Mai) einen Bodyguard mit ins Theater geschickt. Cheech (Kay Krause), der Mann für alle schmutzigen Fälle, sitzt im Parkett und hört zu, bis er die Proben lautstark unterbricht: „Saublöder Text, gequirlte Scheiße!“Und dann greift dieses dramaturgische Naturtalent ein, schreibt das Stück völlig um und verhilft ihm bei der Vorpremiere sogar zum Erfolg. Nur Cheech selbst ist entsetzt: Die Puppe seines Chefs verdirbt sein Kunstwerk. Olivia wird der Kunst geopfert. Und das überlebt auch Cheech nicht.

Schultze inszeniert diese intelligente Komödie mit Tempo, fließenden Szenenwechseln, jazziger Zwischenmusik und sparsamen, klaren Bildern (Bühne: Jürgen Lancier), die mit wenigen konstrastierenden Farben auskommen. Er betont nicht die Klamotte, und überzieht bei aller Komik der Story nie ins schrill Alberne. So bleibt erhalten, was Woody Allen immer wichtig ist: Daß es – mitten im Gelächter – um Kunst oder Leben geht.

Indem dieses Kunststück gelingt, zeigt Schultze jedoch zugleich die Grenzen eines Versuches, einen Film auf die Bühne zu bringen. Was im Kino die Bilder miterzählen, müssen auf der Bühne die Figuren allein schaffen. Da sie in „Bulletts over Broadway“vor Klischees dampfen, muß er sie aufbrechen. Das gelingt Kay Krause vorzüglich. Er ist der heimliche Motor dieses Lehrstücks ohne Lehre. Er spielt den Killer-Künstler Cheech mit lässigem Charme und mit allen lakonischen Zwischentönen, die dieser Figur nicht nur die fetten Farben des Klischees geben, sondern den Glanz der Weisheit.

Hans Happel

Aufführungen: 19., 25., 28. Juni