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: Pädagogische Fröhlichkeit: Clownspiel im Schloßplatztheater

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Pädagogische Fröhlichkeit: Clownspiel im Schloßplatztheater

Der schmale, aufgeregte Mann hat überall Schmerzen: die tun ihm weh und gut zugleich. Denn durch sie fühlt er etwas von sich. Horst A. Müller ist ein Allerweltsmann, er leidet am Leben, fürchtet sich vor der wilden Welt und fühlt sich nur zu Hause vor dem Fernseher wohl. Ekstatisch zappt er sich durch die Programme, lacht, staunt und entsetzt sich, bis das Fernsehbild plötzlich verschwindet und nur noch der Ton zu hören ist. Hilfeschreie aus dem Kasten des wahren Lebens, aus dem ein wahrer Mensch steigt. Ein Clown, direkt aus dem Programm. Ein fröhlicher Clown: der sich mit dem Namen Phantasie vorstellt und Horst mit seiner Munterkeit schier überrennt. Der „lange Lackel“ entdeckt, was ihm fehlte.

Das war der Augenblick im Köpenicker Schloßplatztheater, an dem nicht nur Horst A. Müller Angst bekam, sondern auch ich, angesichts dessen, was ich mit dem Stück des Schweizer Autors, Regiseurs und Schauspielers Jürg Schlachter an pädagogischer Redlichkeit auf mich zukommen sah. Dann aber zeigte sich, daß da auch so viel zauberischer Witz im Stück steht, daß die Pädagogik schier zu schweben scheint. Regisseur Alejandro Quintana, Hausregisseur am Staatstheater Cottbus, hat mit seinen beiden Schauspielern ein heiter-ironisches und komödiantisch sehr direktes Spiel auf die Bühne gezaubert. Schauspielerei, die pädagogische Leichtigkeit und Fröhlichkeit verbreitet. Katrin Steinke reißt die Augen auf und spitzt den Mund, ist ein disziplinierter Temperamentsbolzen ohne Überdruck; Andreas Steinke lockert seinen verbogen-verkrampften Körper in anfangs scheue Beweglichkeit.

Das Clownspiel im Köpenicker Schloßplatztheater ist ein Familienunternehmen: ein Ehepaar und ein Geschwisterpaar haben sich zusammengetan für die freie Produktion im Theatersaal des 1892 errichteten schmalen Hauses neben dem Köpenicker Rathaus. 70 Zuschauer finden Platz in dem Theater, das als Projekt der Alte Möbelfabrik e.V. von Künstlern aller Genres auf Freundschafts- oder ABM-Basis betrieben wird und neben Kindertheater kleine, meist musikalische, unterhaltende Stücke für die Kiezbewohner präsentiert. „Clown Phantasie und der lange Lackel“ dauert nur eine Stunde, dann öffnet sich Horst A. Müller, singt und tanzt und traut sich was: keine Angst mehr. Eine Aufführung, die auch den weitesten Weg lohnt. Eine Entdeckung. Hartmut Krug

„Clown Phantasie und der lange Lackel“ von Jürg Schlachter, heute bis 12. Juni, 10 Uhr, Schloßplatztheater Alt-Köpenick 31

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