Die Hosen werden selbst bezahlt

Phoenix Berlin, das Fusionsteam aus vier Vereinen, will nicht so recht vorankommen auf dem avisierten Weg in die bundesdeutsche Baseball-Spitze  ■ Aus Berlin Thomas Winkler

Lauschig am Rande des Berliner Grunewalds liegt die Sportanlage Kühler Weg. Fußballer jagen sich um Kreisligapunkte über diverse Kunstrasenplätze. Die Sonne knallt, der Schweiß rinnt, manch ein Zuschauer flucht. Wo denn die Baseballer zu finden seien? „Da unten auf der Wiese.“

Auf der Wiese hat sich das Lokalfernsehen eingefunden. Und vielleicht zweihundert Zuschauer. Die lümmeln am Rande des Spielfelds oder sitzen auf einer kleinen Stahlrohrtribüne, wo man schon mal den Kopf einziehen muß, wenn ein Foulball geflogen kommt. Bälle zischen durch die Luft, dann ist das trockene Knacken zu hören, wenn der Ball Kontakt mit dem Schläger bekommt. Der Batter sprintet los, die Zuschauer recken ein wenig die Köpfe, Staub wirbelt an der Base auf, der Schiedsrichter brüllt „safe“ – Klatschen, dann beruhigt man sich wieder auf den mitgebrachten Decken. Phoenix Berlin, der sechste der Bundesliga Nord, tritt an gegen die Yahoos aus Wolfsburg, den aktuell achten und letzten. Zwei Spiele finden heute statt. Solche sogenannten Doubleheader sind die Regel in der Liga, um Reisekosten zu sparen.

Vor dieser Saison zogen vier Erst- und Zweitligisten aus Berlin und Brandenburg die eigenen Bundesligameldungen zurück und stellten ihre Spieler für Phoenix ab. „Konzentration in der Spitze“ war das Ziel der Fusion, denn in den letzten Jahren kam kein Berliner Team weiter als ins Play-off-Viertelfinale um die Deutsche Meisterschaft. Dabei war man sich früher spinnefeind. Für die Sluggers war es oft interessanter, gegen die Challengers gewonnen zu haben, als in der Tabelle vorne zu stehen. Und den Bats ging es nicht anders. Als die Fusionsidee entstand, „haben wir natürlich befürchtet, daß sich die Rivalitäten fortsetzen könnten“, gibt Georg Reuter, Third Baseman und außerdem im Phoenix-Vorstand, zu. Aber in der Kneipe lösten sich die Antipathien in Wohlgefallen auf.

Spitzenbaseball in Berlin etablieren und zugleich die finanziellen Problemen lösen, das war das Ziel der Zusammenlegung. In die Saison ging man ohne einen festen Etat. Aus dem wird sowieso nur das Allernötigste bestritten. Für die neuen türkisfarbenen Trikots und die Caps kommt der Verein auf, aber schon „die Hosen müssen die Spieler selber bezahlen“, erzählt Reuter. Sonst fallen noch Fahrtkosten an, Lizenzgebühren, ein paar Mark für Schiedsrichter und Trainingsbälle. „Dieser Mini- Etat im niedrigen fünfstelligen Bereich ist gedeckt“, versichert Reuter, aber anderswo kann ein ausländischer Spitzenspieler, der für die sechs Monate dauernde Saison eingeflogen wird, bis zu 3.000 Mark im Monat verdienen. „Wir machen die Preisspirale nicht mehr mit“, sagt Reuter. Nun ist Phoenix der einzige Klub der Baseball-Bundesliga, der versucht auf Legionäre zu verzichten. Alle Spieler stammen aus Berlin oder wohnen schon seit Jahren hier, auch wenn sie einmal aus Nicaragua, Kolumbien, Kuba, Korea oder den USA kamen.

Trotzdem war die multikulturelle Stadtauswahl vor der Saison zumindest auf dem Papier die offensivstärkste der ganzen Bundesliga. Aber nun „krankt es“ ausgerechnet dort, mußte Interimstrainer Moritz Hillebrand feststellen. Der ehemalige National-Pitcher, der sich bereits im ersten Saisonspiel verletzte, löste mitten in der Saison Dave Kornbluth ab, der menschlich nicht mit den Spielern zurechtkam. Allergisch reagiert man auf Fragen, warum trotz der Fusion die Spitze weiter entfernt ist als zuvor. „Die Erwartungshaltung war Humbug“, sagt Hillebrand, „das war eine Milchmädchenrechnung. Eine Mannschaft ist was anderes, als einfach neun Leute zusammenzupacken.“

Die Wolfsburger punkten derweil fleißig und nutzen dabei viele Fehler der Gastgeber, denen der Ball auf der Wiese allzu oft verhoppelt. Auch sonst ist man mit dem Spielort nicht allzu glücklich. Die Ausmaße sind für Baseball zwar ausreichend, aber ein richtiges Baseballstadion wäre natürlich angemessener, schließlich geht es hier um Bundesligapunkte. Doch in der Verwaltung ist keine Bereitschaft zu erkennen, Spitzenbaseball zu unterstützen. Auch die Fans strömen nicht in Scharen, weil viele selbst zeitlich parallel in niedrigeren Klassen spielen. 500 Zuschauer pro Heimspiel hatte sich Reuter ausgerechnet, der Saisonrekord steht bei ungefähr 350.

Der Erfolg bleibt aus, so wie die Zuschauer, da stehen die Sponsoren nicht gerade Schlange. Bisher gibt es nur ein paar sehr kleine Geldgeber. „Aber wir werden sicher noch professioneller werden“, glaubt Reuter und ist trotzdem guter Hoffnung für die Zukunft: Wie in den USA will man ein Baseball- Spiel nicht als reines Sportereignis verstanden wissen. „Wir wollen ein bißchen Freizeit-Erlebnis bieten“, sagt er, „der Spieltag ist ein Happening, man ißt ein paar Burger und guckt sich das Spiel an.“

An diesem Tag will aber einmal der Grill in Gang kommen. Erst als die Wolfsburger als 6:3-Sieger feststehen, beginnt es hinter der ersten Base zu qualmen. „Eine Katastrophe“, sagt Hillebrand, waren die Seinen. Anschließend geht das zweite Spiel gar mit 8:3 an das Tabellenschlußlicht, und Phoenix schwebt in Abstiegsgefahr. „Es geht um eine langfristige Perspektive“, sagt ein frustrierter Coach, „und wenn es nicht geht, dann geht Baseball in Berlin halt nicht.“