Das Portrait
: Fürsprecher der IRA-Gefangenen

■ Caoimhghin O'Caolain

Cootehill am Samstag mittag: In dem kleinen Ort in der irischen Grafschaft Cavan knallen die Sektkorken, ein Autokorso fährt hupend durch die Straßen, vor der Gesamtschule tanzen die Menschen. Soeben hat der Sinn-Féin- Kandidat Caoimhghin Ó Caoláin einen Parlamentssitz gewonnen – und nicht nur das: Mit 11.500 Stimmen, einem Anteil von knapp 20 Prozent, liegt er weit vor seinen elf Konkurrenten.

Es war Ó Caoláins vierter Versuch, diesen Sitz zu gewinnen. Er ist der erste Abgeordnete des politischen Flügels der IRA, der seinen Sitz auch einnehmen wird. Bis 1986 hat Sinn Féin aus Protest gegen die Teilung der Grünen Insel sowohl das Londoner Unterhaus als auch den Dubliner Dáil boykottiert. Dann beschloß ein chaotischer Parteitag, zumindest die irischen Parlamentssitze einzunehmen.

Daß es nun im Wahlkreis Cavan-Monaghan gelang, ist kein Zufall. Die Grafschaften Cavan und Monaghan gehören zur Provinz Ulster, die 1922 geteilt wurde: Sechs der neun Grafschaften wurden zu Nordirland zusammengefaßt und blieben bei Großbritannien. Die Grenzregionen wurden jahrzehntelang von der Dubliner Regierung vernachlässigt, vom Norden waren sie durch Straßensperren abgeschnitten. Ó Caoláins Wahl ist auch die Quittung für schlechte Infrastruktur und hohe Arbeitslosigkeit, seine WählerInnen sind vor allem die 18- bis 25jährigen aus den Sozialbausiedlungen.

Der 45jährige Ó Caoláin stammt aus diesem Wahlkreis, er ist hier zur Schule gegangen und hat danach eine Karriere in einer Bankfiliale begonnen. 1985 kündigte er seinen Job und stieg bei Sinn Féin in die Politik ein. Seit Ende der achtziger Jahre sitzt er im Parteivorstand. Sein Vetter, der IRA-Mann Fergal O'Hanlon, wurde in den sechziger Jahren von der nordirischen Polizei erschossen, sein Schwager Bernard McGinn steht unter dem Verdacht, Anfang des Jahres einen britischen Soldaten getötet zu haben.

Ó Caoláin hat den Schwerpunkt seiner Arbeit stets auf die Gefangenenfrage gelegt. Die Partei ist entschlossen, so sagte er nach seiner Wahl, solange „zu arbeiten, bis sich die Gefängnistore öffnen und unsere Brüder und Schwestern frei sind“. Während er in Cootehill die Glückwünsche entgegennahm, klingelte sein Handy: Die IRA- Gefangenen aus Long Kesh wollten ihm auch gratulieren. Ralf Sotscheck