Handfester Präsidentenwahlkampf in Kroatien

■ Anschläge und Schikanen sollen Tudjmans Gegenkandidaten ausgeschalten

Split (taz) – Ein Mitglied der Militärpolizei und der Leibgarde des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman hat den oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Vlado Gotovac in der vergangenen Woche angegriffen. Dies erklärten Oppositionelle gestern in Zagreb. Nach einem unserer Zeitung vorliegenden Attest des Krankenhauses Pula ist Gotovac nicht wie offiziell erklärt, umgestoßen und auf die Kante eines Podestes gefallen. Der Vorsitzende der Sozialliberalen Partei Kroatiens (HSLS) wurde von dem Elitesoldaten Brzovic mit dem Schlag einer Gürtelschnalle auf die Schläfengegend zu Boden gesteckt. „Zwei Zentimeter weiter, der Schlag wäre tödlich gewesen“, heißt es in der Umgebung von Gotovac.

Der Attentäter wurde zwar verhaftet, eine Anklage wegen versuchten Totschlags jedoch nicht erhoben. Zudem wurde die Filmaufnahme des Attentats bislang nur zensiert veröffentlicht. Bei der im staatlich kontrollierten Fernsehen gezeigten Zeitlupe fehlt der Ton und damit der Ausruf des Attentäters: „Ich bin Ustascha, es lebe Ante Pavelic (der Führer des faschistischen kroatischen Staates 1941–45 d. Red.).“

Auch Zdravko Tomac, Spitzenkandidat der Sozialdemokraten (SDP), durfte bereits erfahren, was es heißt, in Kroatien Wahlkampf zu führen. Am 15. Juni wird ein neuer Präsident gewählt. Am vergangenen Sonntag wurde sein Wagen in der ostslawonischen Stadt Osijek von einem bewaffneten Zivilisten gestoppt. Der Mann zerstörte 40 Wahlplakate. Schon vor zwei Wochen war Tomac einem Attentat nur knapp entkommen.

Nach offizieller Darstellung habe ein Stein die Scheibe des Wahlkampfwagens zerstört. Die Sozialdemokraten behaupten, es habe sich um eine nicht explodierende Handgranate gehandelt. „Es ist eine Atmosphäre des Hasses geschürt worden, in der solche Taten begangen werden“, erklärte Zlatko Kramaric, Vorsitzender der Liberalen in Osijek. Und Zarko Puhovski, Vorsitzender des Helsinki-Komitees in Kroatien, forderte angesichts der Vorfälle die Oppositionskandidaten auf, ihre Kandidatur zurückzuziehen.

Ein Besuch in der ostslawonischen Stadt Vukovar bildete am vergangenen Sonntag den Wahlkampfhöhepunkt für den amtierenden Präsidenten Franjo Tudjman. Unter großen Sicherheitsvorkehrungen fuhr Tudjman in einem „Zug des Friedens“ in die 1991 von Serben eroberte Stadt. Das heute von den Vereinten Nationen kontrollierte Gebiet (UNTAES) um Vukovar soll bis Januar nächsten Jahres in den kroatischen Staat reintegriert werden.

Bei seinem Auftritt auf dem Gelände des Bahnhofs von Vukovar erklärte Tudjman unter dem Jubel seiner Anhänger, bald könnten die 1991 vertriebenen Kroaten wieder nach Ostslawonien zurückkehren. Auch die serbischen Flüchtlinge aus der Krajina, die seit der Gegenoffensive 1995 in Ostslawonien lebten, könnten in ihre Heimatorte zurückkommen. Er sehe jedoch keine Möglichkeit, jene serbischen Flüchtlinge, die sich jetzt in Bosnien oder Serbien befinden, auf absehbare Zeit nach Kroatien zurückkehren zu lassen. Dies sei trotz des internationalen Drucks Kroatien nicht zuzumuten. Erich Rathfelder