■ Normalzeit
: Herr der Geflogenen

Der Hauptstadt-Unternehmer Peter Dussmann – auch „Oberst der Outgesourcten“ genannt – begann mit einer kleinen Putzkolonne. Heute beschäftigt er schon 37.000 Deklassierte in 17 Klasse- Ländern. Er privatisierte Kantinen, Wachdienste, Werksfeuerwehren, Flughafen-Bodenpersonal usw. Bekannt – und im Osten berüchtigt – ist seine Gebäudereinigungsdivision „Pedus“. In Thüringen kündigte gerade ein Logistikzentrum den Vertrag mit ihm – wegen allzu häufiger Schlampereien. Die meisten Dussmann- Arbeitsplätze halten „geringfügig“ beziehungsweise „pauschal“ Beschäftigte. Er schafft also massenhaft – im Osten – sogenannte „590 DM“-Jobs.

Dussmanns Firmenzentrale wird gerade am Bahnhof Friedrichstraße fertiggestellt, derzeit residiert sie laut Spiegel „am Rande Berlins in einem kleinen Schloß mit Stuck und Seeblick, dort wohnte einst TV-Stasi-Chef Erich Mielke“. Der Unternehmer besitzt daneben noch ein privates Anwesen in Hollywood, „unweit der Villa von TV-Star Thomas Gottschalk“ (Focus). Sein Standort Friedrichstraße ist laut Firmenprospekt „fast wie eine Raubritterburg“. Dort wird Dussmann demnächst auch noch ein „Kulturkaufhaus“ eröffnen, für das sich bereits etliche arbeitslose Buchhändlerinnen interessierten.

Sie bekamen ein Falt-Flugi, das sie auf die Ansprüche der neuen Herren in der Dienstleistungsgesellschaft einschwören sollte. Unter „Freundliche Mitarbeiter und Service rund um die Uhr“ heißt es: Sie „verkörpern das Konzept, Ihre Qualität macht die Seele des Hauses aus: selbstverständlich hochkompetent, aber in allererster Linie freundlich. Sie dokumentieren in Ihrer Art aufzutreten und sich zu kleiden den Stil des Hauses. Sie sind erfolgsorientiert und flexibel und nicht an starre Vorstellungen wie Ladenschlußzeiten gebunden.“ Näheres wird dann im hauseigenen Trainings-Center in Zeuthen „vermittelt“ – dem ehemaligen Gästehaus von Harry Tisch!

Es kommt aber noch dicker: „Die drei Kommunikationsziele, die wir erreichen wollen, sind – auf der sozialen Ebene ,get together‘. Orientierung auf der Basis von Kultur, z. B. Philosophie. Antworten auf die Frage, warum nicht Nichts ist.“ (Daran scheiterten bisher die meisten Bewerber – es soll aber wohl heißen: Von nichts kommt nichts!).

Ferner: „Verstehen von innovativen Entwicklungen, sinnvolle Freizeitgestaltung. Internationalität, dokumentiert durch Kulturevents... Ein weiterer Kundenservice wird ein Kundenclub sein. Die dazugehörige Clubkarte könnte gleichzeitig als Kreditkarte dienen.“ Und dann gibt es da noch einen „30 Meter hohen Wasserfall“ sowie eine große Projektionsfläche, „auf der 24 Stunden Nachrichten aus aller Welt via Internet“ flimmern. (Dort erfährt man dann quasi sofort, wie Schalke O4 gespielt und daß Clinton Netanjahu getroffen hat - Wahnsinn!)

Besonders „wichtig: Unser Auftritt nach außen. Er ist dezent und intelligent.“ Die Foucaultsche Formel dafür lautete seinerzeit: „Sich durch die Dinge bewegen wie eine Ratte im Schilf!“ Aber na gut. Dussmanns Eltern hatten einen Buchladen, auch er ist gelernter Buchhändler – und deswegen strikt für die Beibehaltung der Buchpreisbindung. Ansonsten will er jedoch alle „Bindungen“ eliminieren – die Rechte von Arbeitnehmern betreffend. Seinen ersten öffentlichen Arbeitgeberauftritt hatte er jetzt bei Erich Böhmes „Talk im Turm“. Sein Kontrahent dort war der HBV-Gewerkschaftsfunktionär Bodo Ramelow. Der meinte anschließend nur: „Dussmann hat vom Handel keine Ahnung!“

In der Düsseldorfer HBV- Zentrale äußerte man sich unverblümter: „Der ist ganz einfach schrecklich und dumm!“ Einige Hauptstadtjournalisten bezeichnen sein Kulturkaufhaus-Konzept in Mitte jedoch als „mutig“. Dussmann selbst gibt sich in seinem Faltblatt – ungeachtet der FNAC-Pleite, die noch zu Wendekonjunkturzeiten stattfand – unternehmerisch-optimistisch: „Das neue Zentrum hat jetzt offenkundig Aufwind bekommen, so daß in den nächsten drei Jahren mit der Entwicklung einer Top-Einkaufsadresse zu rechnen ist. Alle, auch bisherige Skeptiker teilen diese Ansicht“. Helmut Höge

wird fortgesetzt