US-Armee will Treue

■ Wegen Ehebruchs vor 13 Jahren wird ein General nicht oberster US-Militär

Washington (taz) – General Joseph W. Ralston gibt auf: Er hat seinen Namen von der Liste möglicher Kandidaten für den Vorsitz der vereinigten Generalstäbe der US-Streitkräfte streichen lassen. Clinton, sein Verteidigungsminister William S. Cohen und der gegenwärtige Vorsitzende, General Shalikashvili, haben wie aus einem Munde seine Entscheidung bedauert. Mindestens die ersten beiden aber dürften aufgeatmet haben – sie sind dadurch aus einer höchst peinlichen Situation befreit, bei der es nur vordergründig um Sexualmoral geht.

Die Position des Vorsitzenden der vereinigten Generalstäbe, die der des Generalstabschefs in europäischen Armeen gleicht, wird alle vier Jahre auf Vorschlag des Verteidigungsministers vom Präsidenten besetzt und durch den Senat bestätigt. Shalikashvili, dessen Amtszeit im September abläuft, hatte seinen Vertreter vorgeschlagen, eben Luftwaffengeneral Ralston. Die Ernennung wäre einer jener Kompromisse gewesen, mit deren Hilfe sich Verteidigungsminister Cohen durch das Minenfeld der zerstrittenen Fraktionen im Pentagon bewegt.

Da sind auf der einen Seite die Traditionalisten, die sich eher durch Ralston vertreten fühlen, auf der anderen Seite stehen die sogenannten „militärischen Revolutionäre“, die für eine radikal veränderte Militärstrategie bei Ausnutzung moderner Kommunikationstechnologie und drastischer Abrüstung eintreten. Ihre Wortführer ist General John Sheehan. Kaum war Ralstons Name als Nachfolger Shalikashvilis gefallen, erfuhr die Öffentlichkeit, daß der verheiratete, aber von seiner Frau getrennt lebende General vor 13 Jahren mit einer CIA-Angestellten eine Affäre gehabt hatte.

Cohen wollte seinen Mann nicht fallenlassen – sein Fall, versicherte der Verteidigungsminister, sei ganz anders als der von Kelly Flinn, der Bomberpilotin, die Ende Mai aus der Luftwaffe entlassen worden war, weil sie ein Verhältnis zu einem verheirateten Zivilisten gehabt hatte.

Eigentlich hätte William Cohen die Öffentlichkeit hinter sich haben können, wenn es nicht um just diesen Mann gegangen und seine Entscheidung nicht just zu dieser Zeit gefallen wäre. Denn obwohl die Mehrheit der US-Amerikaner Ehebruch verurteilt, findet nur eine Minderheit, daß das Einfluß auf die Karriere haben sollte.

Wer soll jetzt Generalstabschef werden? George Sheehan? Im Gespräch ist, daß Shalikashvili weitere vier Jahre diesen Posten einnimmt. Peter Tautfest