EU-Vertrag noch ohne Frauenquoten

„Maastricht II“ sichert den Europäerinnen mehr Rechte als frühere Abkommen. Lobbyistinnen versuchen nun, auch die deutschen Frauenquoten EU-weit juristisch abzusichern  ■ Von Barbara Debus

Berlin (taz) – In Brüssel laufen die Faxgeräte heiß. Erbittert kämpfen Lobbyistinnen um letzte Halbsätze. So auch Barbara Helfferich, Generalsekretärin von Europas größtem Frauenverband, der „Europäischen Frauenlobby“. Helfferich, ehemalige US-Politikprofessorin, ist angetreten, um Fraueninteressen in dem „Maastricht II“ genannten Vertragswerk unterzubringen. Bis zum Gipfeltreffen der europäischen Regierungschefs am 16. Juni soll der Text stehen.

Helfferich und ihre Mitstreiterinnen können mit Erfolgen aufwarten. Lissy Gröner, frauenpolitische Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament: „Wir sind ein ganzes Stück weitergekommen.“ Ähnlich wie im Grundgesetz der Bundesrepublik ist die Gleichstellung der Frau jetzt im EU-Vertrag in der Präambel verankert. Dies war seit dem ersten EG-Vertrag von 1957 versäumt worden. Damals gab es nur eine bis heute bedeutsame Frauenrechtsnorm (Art. 119 EG-Vertrag) über gleiches Entgelt für Männer und Frauen. Diese ist jetzt so erweitert worden, daß gleiches Entgelt nicht nur für „gleiche“, sondern auch für „gleichwertige“ Arbeit gezahlt werden soll.

Barbara Helfferich richtet jetzt ihr Engagement auf eine weitere Ergänzung dieses Artikels. Dabei geht es darum, ob Bundesländer wie Bremen und Nordrhein-Westfalen ihre Frauenquoten bei Einstellungen beibehalten dürfen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind diese Quoten im Falle von Bremen nicht mit dem EU- Recht vereinbar. Bis Mitte Juli wird der Gerichtshof sein Urteil über die nordrhein-westfälische Quote sprechen.

Ausgangspunkt für Helfferich ist ein neuer Absatz 4 von Artikel 119. Dieser Absatz gibt den einzelnen Mitgliedsstaaten das Recht, „zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen“. Der Hamburger Rechtsanwalt Klaus Bertelsmann kommentiert das so: „Dieser Absatz 4 ist nicht deutlich genug formuliert, um eindeutig klarzumachen, daß auch bei der Bewerberauswahl Frauenfördermaßnahmen möglich sind.“ Helfferich sieht das ähnlich: „Wir brauchen eine klare Aussage für Quoten, damit ein Fall wie Kalanke in Bremen oder Marschall in Nordrhein-Westfalen nicht mehr vorkommen kann.“

Auf die Unterstützung der Bundesregierung zum Schutze der Länderquoten kann Lobbyistin Helfferich dabei nicht zählen. Jurist Dr. Martin Lenz im Bundesfrauenministerium stellte gegenüber der taz klar: „Wir sind keine Befürworter der Quoten. Insoweit verteidigen wir in den Verhandlungen auch nicht die Quotenregelungen der Bundesländer.“

Helfferich setzt auf die Renitenz der Däninnen, falls sie die entscheidenden Halbsätze nicht mehr unterbringt: „Wir werden dann den Frauen sagen, daß sie gegen Maastricht II stimmen sollen.“ Schließlich hätten die dänischen Frauen schon einmal ein EU-Referendum zu Fall gebracht. Die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Lissy Gröner findet dies „zu hoch gepokert“. Gröner: „Ich bin froh, wenn wir den Vertrag so zur Ratifizierung bringen. In einigen Jahren muß er eh wieder geändert werden, dann können wir weitergehen.“