Hohle Drohung

■ Die SPD übt sich vor dem EU-Gipfel in Populismus

Fünf Tage vor dem entscheidenden EU-Gipfel in Amsterdam haut die SPD kräftig auf den Putz. Ohne ein Beschäftigungskapitel im Maastricht-II- Vertrag werde die SPD den Vertrag nicht absegnen. Und ohne SPD-Zustimmung im Bundesrat kann die EU-Reform nicht ratifiziert werden. Der Vorstoß zeugt zumindest von Realismus. Das Beschäftigungskapitel ist längst ausgehandelt. Dafür haben schon die sozialdemokratischen Regierungen in anderen EU-Ländern gesorgt, auch die Bundesregierung stellt sich seit gestern nicht mehr quer. Viel wird aber nicht in diesem Kapitel drinstehen, außer ein paar allgemeinen Phrasen, daß sich die EU verstärkt um die Beschäftigung kümmern solle. Eine weitergehende EU-Beschäftigungspolitik scheitert schon am Widerstand von Bundesfinanzminister Theo Waigel.

Vorsorglich hat die SPD darauf verzichtet zu sagen, was in dem Beschäftigungskapitel mindestens stehen muß. Und auch sonst hätte es einige Forderungen an den neuen EU-Vertrag gegeben, die einer sozialdemokratischen Partei gut zu Gesicht stehen würden. Oder will die SPD allen Ernstes einen EU-Vertrag ratifizieren, der den Ausbau der Polizei- und Justizzusammenarbeit weitgehend den Regierungen überläßt? Eine Kontrolle durch das Europäische Parlament ist in diesem Bereich nur sehr unvollständig gewährleistet. Selbst der Europäische Gerichtshof soll den Innenmininistern kaum auf die Finger klopfen können. Doch so weit will die SPD offensichtlich nicht gehen, dem Bundeskanzler Mindestforderungen nach Amsterdam mitzugeben. In Dänemark ist das durchaus üblich. Das dänische Parlament hat klargemacht, daß ihr die geplante gemeinsame Asyl- und Visumpolitik zuwenig demokratische Absicherung enthält. Dänemark wird deshalb die Erlaubnis bekommen, da nicht mitzumachen. Hätte die SPD über ihr Druckmittel Bundesrat eine ähnliche Politik verfolgt, würden die Verhandlungen in Amsterdam anders laufen. Der Maastricht-II-Vertrag wird das Gesicht der EU verändern. Es wird einige echte Fortschritte geben, aber auch neue Demokratielücken. Die SPD hat daran bereits fundierte Kritik geübt. Doch nach außen tritt sie lieber mit populistischen Forderungen nach Beschäftigungskapiteln oder hartem Euro auf. Immer schön an der Seite der Meinungsforscher. Alois Berger